WECHSEL AM WIENER BALLPLATZ 269
Die Antwort der Wiener, durch den Botschafter Botho Wedel gern über-
mittelt, lautete:
Ad eins: Ja!
Ad zwei: Nein!
Gerade weil in Wien mehr und mehr die Tendenz hervortrat, sich auf
unsere Kosten mit der Entente zu verständigen, wünschte man dort nicht
meine Rückkehr. Von mir wußte Wien, daß ich dieses Spiel durchschauen
und nach Kräften verhindern würde. Sowohl die Allerhöchsten Damen, die
seit dem Regierungsantritt des Kaisers Karl die Situation beherrschten, als
die k. und k. Minister des Äußern waren mir gegenüber von innerlichem
Mißtrauen erfüllt. Die einen, weil sie fühlten, die anderen, weil sie wußten,
daß ich Österreich-Ungarn binnen vierundzwanzig Stunden an die Kandare
nehmen würde. Die Mutter des einfältigen Kaisers Karl, die Erzherzogin
Maria Josefa, eine sächsische Prinzeß, seine Schwiegermutter, die Herzogin
von Parma, und seine Gemahlin Zita waren gleichmäßig von tiefer Ab-
neigung gegen das Deutsche Reich, gegen Preußen und die Hohenzollern
erfüllt. Der bayrische Gesandte in Wien, Freiherr von Tucher, der tüchtige
und kluge Sohn einer alten Nürnberger Familie, in deren Stammhaus Hans
Sachs und Albrecht Dürer verkehrt hatten, cin Mann, der kein Blatt vor
den Mund nabın, charakterisierte mir die nach dem am 21. November 1916
erfolgten Tode des alten Kaisers Franz Josef am Wiener Hofe maßgebend
gewordenen drei Damen wie folgt: „Die Maria Josefa ist dumm wie Bohnen-
stroh. Zita ist eine fesche kleine Intrigantin, und ihre Mutter ist einfach ein
Mistviech.“
Am Wiener Ballplatz, dem alten Sitz der österreichischen Minister des
Äußern, war im Laufe des Weltkrieges auf den Grafen Berchtold, der einer
der Hauptschuldigen bei der Ultimatumsaktion gewesen war, der Ungar
Baron, später Graf Burian gefolgt. Berchtold war ein leichtsinniger und
unfähiger Kavalier, Burian ein tüchtiger, gewissenhafter Beamter, aber
politisch ein mittelmäßiger Kopf. Im Dezember 1916 wurde Burian durch
den Grafen Ottokar Czernin ersetzt, der seine beiden Vorgänger geistig
zweifellos überragte. Den Unsinn der Ultimatumsaktion würde er nicht mit-
gemacht haben. Aus dem intimen Kreise des Erzherzogs Franz Ferdinand
hervorgegangen, begriff er die Gefahren, die ein zu starkes Überwiegen des
magyarischen Einflusses auf die auswärtige Politik der Doppelmonarchie
mit sich brachte. Als mehrjährigem Gesandten in Bukarest war ihm klar
geworden, daß Österreich bestrebt sein müsse, die Reibungsfläche zwischen
der Doppelmonarchie und Rumänien möglichst zu verringern. Er kannte
das „Konglomerat“, wie die Österreicher scherzhaft ihr Vaterland zu
nennen pflegten, und wußte, wie wenig Verlaß im Grunde auf die Polen,
die Tschechen, die Südslawen war. Er wollte baldmöglichst zum Frieden
Graf Ottokar
Czernin