Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

Die Friedens- 
resolution des 
Reichstags 
270 CZERNINS IMMEDIATBERICHT 
gelangen, aber gemeinsam mit Deutschland. Er hätte es gern gesehen, 
wenn wir durch die Abtretung von Elsaß-Lothringen an Frankreich die 
Möglichkeit des Friedens herbeigeführt hätten. Aber den nackten Verrat 
des Bundesgenossen, der sich für Österreich in den fürchterlichen Krieg 
gestürzt hatte, wollte Czernin nicht. Er traute weder dem Kaiser Karl noch 
den fürstlichen Damen, unter deren Einfluß der dümmerliche Nachtulger 
des alten Kaisers Franz Josef stand. Aber Graf Czernin beging den Felıler, 
sich, um seinen Friedenswünschen Eingang in Berlin zu verschaffen, der 
Hilfe des Reichstagsabgeordneten Erzberger zu bedienen. Er vermittelte 
die Einladung des Buttenhäusers an den steifsten aller europäischen Höfe. 
Matthias Erzberger war berauscht, als er in der Wiener Hofburg stand, 
Als ilım die hübsche Kaiserin Zita, der Graf Czernin gesagt hatte, sie müsse 
sich für eine kleine Stunde die Gesellschaft des „ordinären Schwaben“ ge- 
fallen lassen, es liege das im Interesse des Hauses Habsburg, die Hand zum 
Kuß reichte, war er überwältigt. Als ihm gestattet wurde, gemeinsam mit 
den Habsburger Majestäten in der Kapelle der Hofburg einer Messe bei- 
zuwohnen, war er vollkommen eingeseift. 
Czernin hatte kurz vor dem Besuch Erzbergers in Wien in einem 
Immediatbericht an seinen Kaiser der Meinung Ausdruck gegeben, daß 
Österreich außerstande sei, den Krieg noch lange fortzusetzen. Es habe 
nur die Wahl zwischen baldigem Frieden und völligem Untergang. Der Be- 
richt war nur für Kaiser Karl und durch ihn für Kaiser Wilhelm II. und die 
deutsche Oberste Heeresleitung bestimmt, um auch sie für einen Ver- 
ständigungsfrieden zu gewinnen. Es ist so gut wie sicher, daß die Herzogin 
von Parma den Czerninschen Bericht, der ihr von ihrem Schwiegersohn 
mitgeteilt worden war, dem Abgeordneten Erzberger zugesteckt hat. Erz- 
berger verlas diesen Bericht in einer Versammlung von Zentrumsleuten, 
die bald nachher in Frankfurt a. M. stattfand. Obwohl Erzberger hierbei 
den streng vertraulichen Charakter seiner Mitteilung betont hatte und trotz 
seines Verbotes, Notizen zu machen, gelang es einigen Zuhörern, Teile des 
Berichts mitzustenographieren. Diese Abschriften gelangten in die Schweiz 
und von dort zur Kenntnis der Entente, deren Siegeszuversicht dadurch in 
hohem Grade gesteigert wurde. Als später der Reichstag mit zweihundert- 
vierzchn Stimmen des Zentrums, des Freisinns und der Sozialdemokratie 
gegen einhundertsechzehn Stimmen und siebzehn Enthaltungen eine 
Friedensresolution annahm, worin erklärt wurde, der Reichstag erstrebe 
einen Frieden der Verständigung und der dauernden Versöhnung der 
Völker, mit dem erzwungene Gebictserwerbungen, politische, wirtschaft- 
liche und finanzielle Vergewaltigungen unvereinbar wären, wurden Frank- 
reich und England endgültig in ihrem Entschluß bestärkt, den Kampf gegen 
Deutschland bis zu seiner völligen Entscheidung fortzusetzen. Die
	        
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