Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

Aus Bülois 
Tagebuch 
276 BÜULOW WIRD ÜBERWACHT 
der Wallensteinschen Generäle in Schillers dramatischem Gedicht „Die 
Piccolomini“. 
In den niederen Sphären des damaligen Auswärtigen Amtes herrschte 
kein besserer Geist. Ich entnehme dem Tagebuch, das ich, wenn auch mit 
Lücken, seit dem Beginn des Weltkrieges führte, die nachstehenden zwei 
Aufzeichnungen, die ich während meines Berliner Aufenthaltes eintrug: 
„Frühstückte im Großen Saal des Hotels Adlon. Vor mir ein Tisch mit 
jüngeren Beamten des Auswärtigen Amtes. Ich höre, ohne es zu wollen, 
die nachstehende Konversation. A.: Was gibt es denn Neues an der Front? 
B.: Hören Sie auf mit Ihrem Quatsch von der Front! Ich möchte lieber 
wissen, ob Jagow wieder eine Botschaft bekommt! Ein an dem Tisch 
dieser hoffnungsvollen Jugend vorübergehender älterer Herr, seinem 
Ausschen nach ein pensionierter General, legt dem Frager die Hand 
auf die Schulter und meint mit grimmigem Humor: So ist es recht. Sie 
sind im Bilde!“ Eine weitere Eintragung in mein Tagebuch: „X. erzählt 
mir, ein jüngerer Beamter des Auswärtigen Amtes hätte einen neben 
ihm frühstückenden Offizier gefragt, ob er wisse, wer am Tage vorher am 
Tische des Fürsten Bülow gesessen habe. Der Offizier antwortete: Fragen 
Sie doch den Oberkellner!“ Von allen Seiten wird mir erzählt, daß mein 
Verkehr sorgsam überwacht wurde. Als Tirpitz mir im Hotel Adlon im 
Winter 1915/16 einen Besuch abstattete, sagte ihm Bethmann am nächsten 
Tage mit vorwurfsvollem Gesicht: „Sie waren schon wieder beim Fürsten 
Bülow!“ In einer Staatsministerialsitzung zeigte Bethmann dem Minister 
des Innern, Herrn von Loebell, eine französische illustrierte Zeitung, die ein 
Bild von mir brachte, wie ich auf dem Luzerner Kai spazierenging. Ein be- 
triebsamer Reporter hatte mich, ohne daß ich es merkte, abgeknipst. 
Sorgenvoll frug der Reichskanzler seinen Kollegen Loebell: „Wie kommt 
es, daß die auswärtige Presse sich noch immer mit dem Fürsten Bülow 
beschäftigt ? Das ist doch im allgemeinen nicht der Fall bei zurückgetretenen 
Staatsministern.“* Als Loebell dem Kanzler versicherte, daß ich nicht nach 
seinem Posten strebe, schüttelte Bethmann melancholisch den Kopf: „Alle 
wollen sie an meine Stelle, dabei bin ich doch der einzige, zu dem Europa 
und insbesondere England trotz allem und allem noch immer Vertrauen 
haben.“ 
Ich entnehme meinem Diarium weiter den nachstehenden, in Berlin ein- 
getragenen längeren Passus: „Heute aß das Ehepaar Harnack bei uns. 
Ich hatte ihn zu Tisch gebeten, weil er eine schmerzliche Enttäuschung 
erlebt hat. Er strebt seit langem nach dem Kultusministerium. Bethmann 
hatte ihm in dieser Richtung bestimmte Zusicherungen gemacht. Der 
Kaiser, dem Harnack andauernder und, die Gerechtigkeit erfordert, es an- 
zuerkennen, feiner und geistreicher schmeichelt als irgendein anderer, war
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.