Prinz Mox
von Baden
zum
Reichskanzler
ernannt
XXU. KAPITEL
Prinz Max von Baden Reichskanzler + Seine Persönlichkeit, seine Ungeeignetheit zum
Kanzleramte « Neuerliche Kandidatur des Fürsten » Die Frage der Abdankung Wil-
helms Il., seine Flucht nach Holland und sein Brief an den Kronprinzen » Vollzug der
Abdankung « Die Spießbürgerlichkeit der deutschen Revolution » Meutereiin Kiel - Die
Ereignisse in München « Flucht Ludwigs Ill. von Bayern » Wie Friedrich August von
Sachsen Abschied nahm
m 3. Oktober 1918 hatte Prinz Max von Baden den Grafen Hertling ab-
gelöst, dessen Verkalkung so rasche Fortschritte machte, daß sein Bleiben
auf dem Kanzlerposten völlig unmöglich geworden war. Als nicht lange vor
dem Rücktritt des Grafen Hertling ein Vertreter der O.H.L. in Spa bei
ihm erschien, um ihm eine wichtige Mitteilung zu machen, die sofortige
und energische politische Entscheidungen erheischte, wehte ihm eine
Weihrauchwolke entgegen. Der Kanzler hatte eine schwere Ohnmacht
erlitten und war auf seinen Wunsch mit den Sterbesakramenten versehen
worden. Er ist denn auch vier Monate nach seinem Rücktritt, am 4. Januar
1919, in seinem kleinen Landhause in Ruhpolding in Oberbayern gestorben.
Sein Nachfolger, Prinz Max von Baden, verdiente weder die Vorschuß-
lorbeeren, die ihm nach seiner Ernennung zum Reichskanzler überreicht
wurden, noch die Invektiven, die nach seinem Rücktritt auf ihn nieder-
prasselten. Um mit dem französischen Dichter zu reden: Il ne m£ritait ni
cet exc&s d’honneur, ni ces indignites. Ich glaube den Prinzen objektiv
beurteilen zu können, der mir nie irgendwie imponiert hat, mir aber nicht
unsympathisch war und mit dem mich vieljährige Beziehungen verbanden.
Prinz Max war vor allem Dilettant, ein fürstlicher Dilettant. Er war ohne
besondere Kenntnisse Ehrendoktor der Staatswissenschaften geworden. Er
wurde, obwohl er nur ein paar Jahre bei den Gardekürassieren gestanden
und dann vorübergehend ein badisches Dragonerregiment kommandiert
hatte, General der Kavallerie. Als Prinz seines Hauses zum Präsidenten
der Ersten Badischen Kammer erwählt, hielt er in jedem zweiten Jalıre,
wenn er das Präsidium übernahm, denn der Badische Landtag versammelte
sich verständigerweise nur alle zwei Jahre, eine kleine Rede. Der Prinz
ließ sich einige Monate vor dem Zusammentritt des Landtags seine Rede
von einem Heidelberger oder Freiburger Professor ausarbeiten und hatte