HERR VON DANDL 303
stellte sich auf die Seite der Aufrührer. Prinz Heinrich und Prinz Adalbert
verließen Kiel. Am 5. November wurde, endlich, der Sowjet-Botschafter
Joffe wegen seiner revolutionären Propaganda aus Berlin ausgewiesen,
nachdem einige beim Ausladen auf der Balın zu Schaden gekommene, für
die Botschaft bestimmte Kuriersäcke, als deren Inhalt sich revolutionäre
Schriften in deutscher Sprache herausstellten, den unwiderleglichen Beweis
geliefert hatten, daß Joffe es als seine vornehmste Aufgabe betrachtet batte,
die Revolution in Deutschland zu schüren. Der Brunnen wurde zugedeckt,
nachdem das Kind hineingefallen, nachdem die Revolution ausgebrochen
war.
Von Kiel griff das Feuer rasch nach Hamburg, Bremen und Lübeck
über, erstreckte sich von da über die ganze Küste und weiter nach Nord-,
West- und Mitteldeutschland. Dank der Kopflosigkeit des bayrischen
Ministerpräsidenten Dandl, der den Versicherungen des Sozialisten Auer,
die für den 8. November auf die Theresienwiese von den Radikalen ein-
berufene Massenversammlung werde harmlos verlaufen, Glauben ge-
schenkt und dabei übersehen hatte, daß Auer in der Münchner Bewegung
schon allen Boden unter den Füßen verloren hatte, gelang es einem land-
fremden, galizischen Abenteurer, dem über Nürnberg nach München ver-
schlagenen ehemaligen Berliner „Vorwärts“-Redakteur Kurt Eisner, eben
diese Massenversammlung mit sich fortzureißen, in München den Frei-
staat Bayern auszurufen und die Wittelsbacher Dynastie für abgesetzt
zu erklären, die länger als ein Jahrtausend in Bayern regierte und der
zweifellos die große Mehrheit des bayrischen Volkes in Treue und Dank-
barkeit anhing. Als geradezu groteske Naivität der Münchner Staats-
männer Dandl und Brettreich muß es bezeichnet werden, daß sie wenige
Tage vorher alles darangesetzt hatten, um vom Oberreichsanwalt in Leipzig
die Haftentlassung Eisners zu erwirken, der wegen einer Anklage auf Hoch-
verrat im Untersuchungsgefängnis Stadelheim bei München saß. Gegen-
über dem Oberreichsanwalt, der sich ablehnend verhielt, hatte Herr
von Brettreich es telephonisch als seine und Herrn von Dandls Überzeugung
bezeichnet, die Entlassung Eisners werde auf die aufgeregte Münchner Be-
völkerung „beruhigend“ wirken. Einem Vertrauensmann der Reichsleitung
gegenüber, der sich in diesen Tagen informationshalber in München auf-
hielt, hatte der Präsident der bayrischen Abgeordnetenkammer, Exzellenz
von Fuchs, mit Anerkennung hervorgehoben, daß Herr von Dandl dem
König mit vollem Recht abgeraten habe, den Oberbürgermeister von Nürn-
berg, den späteren Reichswehrminister Dr. Geßler, zu empfangen. „Dieser
Geschaftelhuber, der Geßler, will dem König weismachen, daß der Eisner
die Revolution vorbereiten will und daß schleunigst eingegriffen werden
muß, wenn nicht der König abdanken soll. Der Dandl aber, das ist ein
Die
Revolution in
München