FOLGE EINER TISCHREDE 313
ihren Heroismus fortleben in dem Herzen jedes Deutschen, der diesen
Namen verdient. Die Franzosen haben 1871 das stolze und schöne Wort
vom „glorieux vaincu“ geprägt. Selbst dieser Begriff ist den im Bannkreis
der Sozialdemokratie stehenden Massen fremd. Sie halten sich teilnahmlos,
wenn nicht innerlich abgeneigt zur Seite, wenn in den Kreisen der Ver-
bände ehemaliger ruhmreicher Regimenter der Versuch gemacht wird,
militärisches Ehrgefühl, gerechten Stolz und gesunden Patriotismus zu be-
leben. Vorerst sind nur in Bayern, wo auf die bolschewistische Welle eine
heilsame Reaktion einsetzte, nationale Gedächtnisfeiern mit erfreulich
militärischem Einschlag möglich gewesen. Das besiegte Frankreich ließ in
der ersten Hälfte der siebziger Jahre im Tuileriengarten das schöne Denk-
mal von Mercie errichten, das eine kräftige Frau in elsässischer Tracht dar-
stellt, die mit dem Gewehr in der Hand dem Feind die Stirn bietet, während
zu ihren Füßen der Sohn zusammengebrochen ist. Das ist stolz und stark
und schön. Greulich dagegen und erbärmlich das Monument, durch das sich
Frankfurt verunzierte, einst die Krönungsstadt der römischen Kaiser deut-
scher Nation: Ein unförmliches Weib, das nur aus Gesäß zu bestehen
scheint, kauert am Boden, als ob sie noch ein paar Fußtritte erwartete.
Bei großen Krisen im Leben der Völker tritt der Wert oder Unwert des
einzelnen deutlicher und schärfer in Erscheinung als im ruhigen Gleichmaß
der Tage. Als nicht lange nach dem Umsturz das übliche Diner des Branden-
burgischen Provinziallandtages stattfand, gedachte in seiner Tischrede der
Oberpräsident von Loebell als aufrechter Mann wie in jedem Jahr der Ver-
dienste der Hohenzollern um die Mark Brandenburg, um Preußen und um
Deutschland. Das neue Regime gab sich die lächerliche Blöße, Herrn
von Loebell seines Postens zu entheben, den dieser, einer unserer tüch-
tigsten Verwaltungsbeamten, zur allgemeinen Zufriedenheit ausfüllte. Als
ob eine solche Maßregelung Jahrhunderte des Ruhms, der Größe und der
Wohlfahrt auslöschen könnte! Anders als Herr von Loebell, der sich nie der
besonderen Gunst des Kaisers Wilhelm II. erfreut hatte, verhielt sich Adolf
von Harnack, der Liebling und Adorant Seiner Majestät. Noch kurz vor
dem Umsturz hatte ich ein soeben erschienenes, mir von Harnack über-
sandtes Buch gelesen, das eine Reihe von Vorträgen enthielt, die deutsche
Hochschullehrer gegen die falsche Beurteilung der inneren deutschen Ver-
hältnisse durch den amerikanischen Präsidenten Wilson gehalten hatten.
Die von Harnack verfaßte Einleitung des in ausgesprochen nationalem und
königstreuem Geiste gehaltenen Buches war ein Hymnus auf das Haus der
Hohenzollern, von dem uns, wie Seine Exzellenz sich ausdrückte, keine
Macht der Erde scheiden könne. Aber der „weltgewandte Gottesmann“,
wie ihn mit treflendem Witz der „Kladderadatsch‘ einst genannt hatte,
konnte auch anders. Wenige Tage nach dem Umsturz erschien der älteste
Loebell
enthoben