Die Partei-
führer:
Dassermann
Schmidıt-
Elberfeld
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die er sich Bismarck gegenüber während der Konlliktszeit und mehr als
einmal auch später gegeben hatte, war das nicht ganz unverständlich. Als
Bismarck mit dem Kulturkampf einen großen innerpolitischen Fehler be-
ging, hatten die deutschen Demokraten, Virchow an der Spitze, ihm zuge-
jubelt, um ihn bald nachher im Stich zu lassen. Den richtigsten und
genialsten Wendungen seiner Politik, von seiner Stellungnahme zum polni-
schen Aufstand von 1863 bis zu seiner kühlen Haltung gegenüber der
deutschen Begeisterung für Alexander Battenberg, dem Battenberg-
Rummel, wie er diesen Enthusiasmus verächtlich nannte, von seiner Be-
handlung der schleswig-holsteinischen Frage bis zu seinem Übergang zum
Schutzzoll hatte dagegen der deutsche Demokrat aus innerster Überzeu-
gung „voll und ganz‘ opponiert. Aber Bismarck war der einzige, der mit
solcher Mißachtung für Parteien und Parlamente regieren konnte. Als
Jahrzehnte später, in einer anderen Zeit, Wilhelm II. ohne die nachhaltige
Willenskraft, die Bismarck ausgezeichnet hatte, in unbesonnenen Rede-
wendungen und mit übermütigen Gesten alle Parteien gleichmäßig vor den
Kopf stieß und die Volksvertretung, wo er konnte, brüskierte, war das nicht
nur geschmacklos, sondern auch politisch falsch.
Ich selbst habe immer Wert darauf gelegt, die Parteien nicht unnütz
zu beleidigen, zu kujonieren, sondern die Volksvertretung mit Achtung und
Courtoisie zu behandeln. Gerade auf diesem Gebiet schien mir das Suaviter
in modo nicht das Fortiter in re auszuschließen. Darum freute ich mich der
Anerkennung, die meine Tätigkeit als Reichskanzler bei den National-
liberalen fand, deren Führer Bassermann mir am 15. Juli 1909 tele-
graphierte: „Die nationalliberale Reichstagsfraktion, der es vergönnt war,
in Jahren langer gemeinsamer Arbeit die Politik Eurer Durchlaucht zu
unterstützen, beklagt aus aufrichtigem patriotischem Herzen das Scheiden
Eurer Durchlaucht aus dem Amt des Reichskanzlers. Immer das Wohl des
Ganzen im Auge, des Vaterlandes Größe und Glück erstrebend und
fördernd, war Ihre Tätigkeit von reichem Erfolg gekrönt. Für dies getreue
Wirken für unser Volk danken wir Ihnen. Ihr Name und Ihre Tätigkeit
wird der nationalliberalen Reichstagsfraktion unvergeßlich sein.“ Für die
Reichspartei sprach mir der Abgeordnete Gamp tiefempfundenes Bedauern
darüber aus, daß meine nach innen und außen erfolgreiche Kanzlerschaft
ein Ende finden sollte. „Wir werden die hohen Verdienste Eurer Durch-
laucht um die Entwicklung des Reichs immer in dankbarer Erinnerung be-
halten. Es gereicht uns zur besonderen Genugtuung, Ihre Politik stets und
bis zuletzt unterstützt zu haben.“ Einer der klügsten Führer der Frei-
sinnigen, ein Rheinländer, der Abgeordnete Reinhart Schmidt-Elber-
feld, während mehrerer Jahre zweiter Vizepräsident des Reichstags,
schrieb mir: „Das deutsche Volk kann nur gedeihen bei Beteiligung aller