Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

Die Partei- 
führer: 
Dassermann 
Schmidıt- 
Elberfeld 
342 PARLAMENTARIER 
die er sich Bismarck gegenüber während der Konlliktszeit und mehr als 
einmal auch später gegeben hatte, war das nicht ganz unverständlich. Als 
Bismarck mit dem Kulturkampf einen großen innerpolitischen Fehler be- 
ging, hatten die deutschen Demokraten, Virchow an der Spitze, ihm zuge- 
jubelt, um ihn bald nachher im Stich zu lassen. Den richtigsten und 
genialsten Wendungen seiner Politik, von seiner Stellungnahme zum polni- 
schen Aufstand von 1863 bis zu seiner kühlen Haltung gegenüber der 
deutschen Begeisterung für Alexander Battenberg, dem Battenberg- 
Rummel, wie er diesen Enthusiasmus verächtlich nannte, von seiner Be- 
handlung der schleswig-holsteinischen Frage bis zu seinem Übergang zum 
Schutzzoll hatte dagegen der deutsche Demokrat aus innerster Überzeu- 
gung „voll und ganz‘ opponiert. Aber Bismarck war der einzige, der mit 
solcher Mißachtung für Parteien und Parlamente regieren konnte. Als 
Jahrzehnte später, in einer anderen Zeit, Wilhelm II. ohne die nachhaltige 
Willenskraft, die Bismarck ausgezeichnet hatte, in unbesonnenen Rede- 
wendungen und mit übermütigen Gesten alle Parteien gleichmäßig vor den 
Kopf stieß und die Volksvertretung, wo er konnte, brüskierte, war das nicht 
nur geschmacklos, sondern auch politisch falsch. 
Ich selbst habe immer Wert darauf gelegt, die Parteien nicht unnütz 
zu beleidigen, zu kujonieren, sondern die Volksvertretung mit Achtung und 
Courtoisie zu behandeln. Gerade auf diesem Gebiet schien mir das Suaviter 
in modo nicht das Fortiter in re auszuschließen. Darum freute ich mich der 
Anerkennung, die meine Tätigkeit als Reichskanzler bei den National- 
liberalen fand, deren Führer Bassermann mir am 15. Juli 1909 tele- 
graphierte: „Die nationalliberale Reichstagsfraktion, der es vergönnt war, 
in Jahren langer gemeinsamer Arbeit die Politik Eurer Durchlaucht zu 
unterstützen, beklagt aus aufrichtigem patriotischem Herzen das Scheiden 
Eurer Durchlaucht aus dem Amt des Reichskanzlers. Immer das Wohl des 
Ganzen im Auge, des Vaterlandes Größe und Glück erstrebend und 
fördernd, war Ihre Tätigkeit von reichem Erfolg gekrönt. Für dies getreue 
Wirken für unser Volk danken wir Ihnen. Ihr Name und Ihre Tätigkeit 
wird der nationalliberalen Reichstagsfraktion unvergeßlich sein.“ Für die 
Reichspartei sprach mir der Abgeordnete Gamp tiefempfundenes Bedauern 
darüber aus, daß meine nach innen und außen erfolgreiche Kanzlerschaft 
ein Ende finden sollte. „Wir werden die hohen Verdienste Eurer Durch- 
laucht um die Entwicklung des Reichs immer in dankbarer Erinnerung be- 
halten. Es gereicht uns zur besonderen Genugtuung, Ihre Politik stets und 
bis zuletzt unterstützt zu haben.“ Einer der klügsten Führer der Frei- 
sinnigen, ein Rheinländer, der Abgeordnete Reinhart Schmidt-Elber- 
feld, während mehrerer Jahre zweiter Vizepräsident des Reichstags, 
schrieb mir: „Das deutsche Volk kann nur gedeihen bei Beteiligung aller
	        
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