CRAILSIIEIM — KARL WEDEL 347
Graf Crailsheim, während vieler Jahre, von 1880 bis 1903, erst bay-
rischer Minister des Äußern, dann Ministerpräsident, ein Staatsmann, der Graf
sich schon des Vertrauens und der Wertschätzung des Fürsten Bismarck Crailsheim
erfreut hatte und dessen reichstreue Gesinnung über jedem Zweifel stand,
schrieb mir: „Die Nachricht von dem bevorstehenden Rücktritt Eurer
Durchlaucht hat mich mit schmerzlichem Bedauern erfüllt. Wenn mir auch
seit sechs Jahren die Freude persönlichen Zusammenwirkens mit Eurer
Durchlaucht versagt ist, so habe ich doch die innere und äußere Politik des
Deutschen Reiches stets mit Aufmerksamkeit verfolgt und die Erfolge, die
Euer Durchlaucht auf beiden Gebieten erzielten, mit hoher Genugtuung
begrüßt. Nach dem Rücktritt des auf eine so glänzende Wirksamkeit zu-
rückblickenden Staatsmannes sehe ich als deutscher Patriot mit Bangen in
die Zukunft. Zu spät werden viele derer, die die jetzige Lage mitverursacht
haben, erkennen, was sie, was das Deutsche Reich an Eurer Durchlaucht
verloren hat. So traurig mich der Entschluß Eurer Durchlaucht stimmt, so
kann ich doch Hochdenselben nur beglückwünschen zu dem glänzenden,
wie ich hoffe nur vorläufigen Abgang. Alle wahren Vaterlandsfreunde schen
Euer Durchlaucht mit tiefem Schmerz aus dem Amte scheiden.“
Aus Stora Sundby in Södermanland, dem schwedischen Schloß seiner
Frau, schrieb mir Graf Karl Wedel, der nacheinander und mit Auszeich- Graf
nung Militärbevollmächtigter in Wien, Gesandter in Stockholm, dann Karl Wedel
Generaladjutant des Kaisers, General der Kavallerie und Gouverneur von
Berlin, von 1899 bis 1902 Botschafter in Rom, von 1902 bis 1907 Bot-
schafter in Wien und seit 1907 Statthalter von Elsaß-Lothringen war:
„Lieber Bülow, erst jetzt eben erhalte ich in der hiesigen Weltabgeschieden-
heit die definitive Nachricht von dem vorgestern vollzogenen Wechsel, der
mir keine Überraschung bereitete. Daß ich es für Kaiser und Reich
schmerzlich bedauere, auch persönlich tief empfinde, wissen Sie. Wahrhaft
aufrichtig freut es mich, daß, soweit ich bis jetzt übersehe, die Presse aller
Parteirichtungen Ihrem Wirken rückhaltlose Anerkennung zollt und Ihre
Verdienste in warmen Worten würdigt. In diesem Dank der öffentlichen
Meinung des Vaterlandes werden Sie die Genugtuung finden, die Ihnen in
so vollem Maße gebührt. Mir aber ist es Bedürfnis, Ihnen heute, wo Sie in
das Privatleben treten, meinen herzlichsten Dank für die Freundschaft und
das Vertrauen auszusprechen, die Sie mir als Vorgesetzter und Mensch er-
wiesen, und für die Stellungen, die ich Ihren Empfehlungen und Ihrem
Wohlwollen verdanke. Erhalten Sie mir auch, bitte, ferner Ihre kostbare
freundschaftliche Gesinnung und seien Sie meiner dauernden aufrichtigen
Anhänglichkeit versichert. Der Fürstin küsse ich die Hand.“
Der Oberstkämmerer Fürst von Solms-Baruth schrieb mir: „Hoch- Fürst Solms-
verehrtester, teuerster Fürst, nachdem die schwerwiegende Entscheidung Baruth