DIE ERREGTEN WOGEN 19
veranlaßt haben, Seine Majestät den Kaiserund König um die Entlassung aus
Ihren Ämtern und damit auch aus dem Präsidium im königlichen Staats-
ministerium zu bitten, und wir beklagen es aufrichtig, daß sich in Ihr
Scheiden ein nur zu berechtigtes Gefühl der Bitterkeit mischt. Aber Eure
Durchlaucht teilen dies Geschick mit den meisten, vielleicht mit allen
großen Staatsmännern. Und wie Eure Durchlaucht stets in allen staatlichen
und politischen Geschehnissen mit scharfem Blick die großen bestimmenden
Umrißlinien erkannt haben, so werden auch in der Erinnerung Eurer
Durchlaucht die Erfolge, die Sie erzielt haben, das Bleibende sein, das
Ihnen niemand rauben kann. Das kleine Gewölk wird schnell von der Sonne
verzehrt werden. Das königliche Staatsministerium ist stolz darauf, unter
Eurer Durchlaucht Präsidium an den großen Aufgaben mitgewirkt zu
haben, die Sie zu gutem Ende geführt haben. Für Preußen brauche ich bloß
die Worte: Wasserstraßengesctz, Schulgesetzgebung, Ostmarkenpolitik,
Berggesetzgebung, Beamtenfürsorge auszusprechen, um die zum Teil unter
harten Kämpfen erstrittenen Fortschritte zu bezeichnen, die sich dauernd
an Eurer Durchlaucht Namen knüpfen werden. Und Hand in Hand hiermit
geht Ihr Schaffen im Reich, das uns in der Stärkung von Heer und Marine,
in der Kolonialpolitik, in der Schaffung neuer Grundlagen für unsere
handelspolitischen Beziehungen, in der sozialen Gesetzgebung und vor
allem in der Leitung unserer auswärtigen Politik glänzende Erfolge gebracht
hat. Eurer Durchlaucht amtliche Laufbahn ist überall durch Taten
bezeichnet, ist so schaffensreich gewesen wie die weniger Staatsmänner.
Und eine Tat war es schließlich — vielleicht nicht die geringste —, die nur
der geschickten Hand Eurer Durchlaucht gelingen konnte, daß Sie weite
Kreise unseres Volkes, die bis dahin von der politischen Negation lebten,
zu positiver Mitarbeit gewonnen und damit die Basis unseres politischen
Lebens verbreitert haben. Die Schwankung, die jetzt eingetreten ist, ist
nur eine augenblickliche. Die erregten Wogen haben Schmutz und Schlamm
aufgewühlt und an die Oberfläche getragen. Der Strom selbst wird ruhig
weiterziehen. Das ist ja gerade das Charakteristische an Eurer Durchlaucht
Arbeit, daß sie nicht Augenblickstaten und Augenblickserfolge bedeutete,
sondern in die Ferne weist und wirkt. Die Geschichte und auch die Öffent-
lichkeit wird das erkennen. Wir tun es schon heute. Wir danken Eurer
Durchlaucht für die Arbeit, die Sie im Dienste von Kaiser und Reich, von
König und Vaterland geleistet, wir danken auch für die stets unveränderte
Freundlichkeit, mit der Eure Durchlaucht uns die Mitarbeit gestattet und
erleichtert haben. Mit unseren herzlichsten Abschiedsgrüßen verbinden wir
die Hoffnung, daß die gemeinsame Arbeit mit dem königlichen Staats-
ministerium einen hellen und lichten Punkt in Eurer Durchlaucht Er-
innerungen bilden möge.“
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