General
v. Hahnke
General
v. Bülow
356 MILITÄRS
Prophet zu sein, vorhersagen, daß die ehrlichen Konservativen sich bald
zurücksehnen werden nach der Zeit, wo sie mit ehrlichen Liberalen ver-
handeln konnten. Aus zahlreichen Versammlungen kenne ich die Stim-
mung des deutschen Volks. Herr von Heydebrand hat in seinem Macht-
bewußtsein, dem man nicht nur gegenüber der Regierung, sondern auch
gegenüber dem Thron seit langer Zeit sehr offen Ausdruck gegeben hat,
dem konservativen Gedanken für die Zukunft einen sehr schlechten Dienst
erwiesen. Euer Durchlaucht aber werden bei dem hoffentlich nur vorüber-
gehenden Rücktritt vom Amt begleitet von dankbarer Verehrung und Liebe
des größten und sicherlich nicht schlechtesten Teils des deutschen Volkes.“
Der Gesamtverband der Evangelischen Arbeitervereine trug mir ebenso wie
der Bund vaterländischer Arbeitervereine die Ehrenmitgliedschaft an, die
ich mit Dank und Genugtuung annahm.
Mehr noch als Anerkennung und Zustimmung von politischer Seite er-
freuten mein Herz die Zuschriften, die ich bei meinem Scheiden aus den
Reihen der Armee erhielt, an der ich mit ganzer Seele hing, seitdem ich im
glorreichen Jahr 1870 des Königs Rock angezogen hatte. Der langjährige
Chef des Militärkabinetts, der Generalfeldmarschall von Hahnke, dieses
Bild eines echten preußischen Gardeinfanteristen, schrieb mir unter dem
14. Juli 1909: „‚Unter den Unzähligen, die heute am bedeutungsvollen Tage
des Niederlegens des Kommandostabes als Reichskanzler Ihnen ihre Ver-
ehrung und allergrößte Hochachtung zum Ausdruck bringen, möchte ich
nicht fehlen. Wer eine Ahnung davon hat, welche Charakterstärke, welcher
Mut, welche Einsicht, welche Erfahrung, weiches Wissen und Können,
welche Selbstlosigkeit dazu gehört, als Reichskanzler zu kämpfen für
des Vaterlandes Macht, Ehre und Gedeihen und gleichzeitig zu dienen dem
Monarchen in Ergebenheit und Treue unter den allerschwersten Bedin-
gungen, der wird heute offen eingestehen müssen, daß Euer Durchlaucht
ein Kämpfer, ein Reichskanzler gewesen sind, wie Seine Majestät ihn
schwerlich wieder finden wird. Großartig, wie Eure Durchlaucht gekämpft,
haben Eure Durchlaucht auch mit Stolz und Würde und voller Ehren das
Kommando abgegeben und treten nun in den tausendfältig wohlverdienten
Ruhestand.“ Der alte Feldmarschall wußte besser als irgendein anderer,
wie schwer es mir während zwölf Jahren geworden war, die dauernden
Interessen des Landes, der Dynastie und des Monarchen selbst gegenüber
diesem Monarchen zu wahren.
Der damalige General der Infanterie, spätere Generalfeldmarschall Karl
von Bülow schrieb mir am 15. Juli 1909: „Als Vetter und stellvertretender
Vorsitzender unseres Familienverbandes darf ich Ihnen warm die Hand
drücken in den entscheidungsreichen Tagen, die Sie jetzt durchlebt haben.
Für mich, und meiner Überzeugung nach auch für die ganze Bülowsche