FRAUEN 357
Sippe, gebe ich der 'Trauer Ausdruck, daß die Verhältnisse Eure Durch-
laucht gezwungen haben, das höchste deutsche Staatsamt niederzulegen,
Ihre erfolgreiche und dem Wohle unseres deutschen Vaterlandes dienliche
Tätigkeit jetzt hoffentlich nicht zu beendigen, sondern nur zu unterbrechen.
Ich weiß, daß Eure Durchlaucht, wenn Kaiser und Reich Ihrer bedürfen —
und sie werden Sie später nötig haben —, mit Freuden bereit sein werden,
die Bürde des höchsten Amtes erneut auf Ihre starken Schultern zu nehmen.
Unvergessen muß es aber heut schon der Familie sein und bleiben, wie Ihr
Wirken als Reichskanzler dem Bülowschen Ruhmeskranze ein neues Lor-
beerblatt eingefügt hat. Die Bülows sind stolz auf diesen Sohn ihres Ge-
schlechts.‘“ Der General der Kavallerie, Graf Hermann Wartensleben,
einst Oberquartiermeister der deutschen Südarmee, als sie unter dem Ober-
befehl des Feldmarschalls von Manteuffel in ruhmvollen Kämpfen in Schnee
und Eis das Bourbakische Korps zum Übertritt in die Schweiz zwang,
schrieb mir: „In meiner ländlichen Abgeschiedenheit natürlich nur unvoll-
kommen unterrichtet, vermag ich nicht alle bestimmenden Beweggründe
zu dem folgenschweren Schritt zu beurteilen und kann nur sagen: Ein
großer Verlust für das Vaterland, und wer soll Eure Durchlaucht einiger-
maßen ersetzen?“ Die Witwe meines unvergeßlichen Kriegsobersten, des
Feldmarschalls von Lo&, die Baronin Franziska Lo&, geborene Gräfin
von Hatzfeldt-Trachenberg, telegraphierte mir: „Ich gratuliere Ihnen und
der Fürstin und beklage uns.“
Aus einer Stätte, in der Idealen gehuldigt wurde, die andere waren als
die militärischen, schrieb für sich selbst und ihre Mutter, die schon mehr als
siebzigjährige Cosima Wagner, deren älteste Tochter, Daniela Thode,
meiner Frau: „Verehrte teuere Fürstin Marie, es weilten und weilen unsere
Gedanken so viel bei Dir und dem Fürsten, Deinem Gemahl, daß es mir ein
wahres Bedürfnis ist, dem Ausdruck zu geben und Dir und ihm unsere ver-
ehrungsvollsten Grüße zu senden. Mama, welche leider im Augenblick
wieder angegriffener ist und größter Ruhe und Schonung bedarf, hat an
allen so bedeutungsvollen und ach! so unerquicklichen Vorgängen im
öffentlichen Leben den regsten Anteil nehmen können und bittet mich,
Dir ihre zärtlichsten Grüße zu übermitteln. Ganz Wahnfried grüßt Dich
und den Fürsten in treuster Verehrung.“
Drei andere Kundgebungen von Frauenhand rührten mich. Die Witwe
des zwei Jahre vorher verstorbenen Staatsministers von Bötticher
schrieb: „Eure Durchlaucht gestatten wohl, daß ich Ihnen und der Frau
Fürstin, die Sie beide so unbeschreiblich gütig zu mir gewesen sind, beim
Scheiden aus Ihrem schweren, dornenvollen Amt Gottes Segen noch in
ganz besonderer Weise wünsche. Welch schwerer Schritt es für den Mann
ist, von seinem Lebenswerk zu scheiden, weiß ich wohl. Habe ich doch mit
Cosima
Wagner
Frau
v. Bötticher