Tittoni
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cs mir versagen, in die Erwägung der Gründe einzugehen, die Ihren Schritt
veranlaßten. Dieselben müssen zwingender Natur gewesen sein, wenn
Kaiser Wilhelm einwilligte, sich von Ihnen nach einer so langen und auf
allen Gebieten erfolgreichen Amtsführung zu trennen. Sie können, ver-
ehrter Fürst, mit Stolz auf die Ihrem Kaiser und Deutschland gewidmeten
Jahre zurückblicken und mit dem Gefühl von dem hohen Posten scheiden,
die Entwicklung Deutschlands nach allen Richtungen gefördert und seinen
staatlichen Bau gestärkt zu haben. Wir in Österreich-Ungarn schen Sie
mit dem aufrichtigsten Bedauern zurücktreten, weil wir in Ihnen einen
überzeugten und bewährten Vertreter des Allianzgedankens zwischen den
beiden Kaiserreichen erblickten. In diesem Zusammenhang habe ich mich
eines Auftrages meines allergnädigsten Herrn zu entledigen. Seine Majestät
Kaiser Franz Josef hat von dem Inhalt des Schreibens Szögyenyis über
seine letzte Unterredung mit Eurer Durchlaucht Kenntnis genommen und
mir befohlen, Ihnen zu sagen, daß Seine Majestät Ihrer Person und Ihrem
treuen Festhalten an dem Bündnis ein herzliches und dankbares Andenken
bewahren werde.“
Der italienische Minister des Äußern, Herr Tommaso Tittoni, richtete
ein längeres Schreiben an mich, das ich in deutscher Übersetzung folgen
lasse: „Teurer Fürst und Freund, ich habe den Brief, den E. D. mir sandten,
erhalten. Ihnen für den außerordentlich liebenswürdigen Gedanken
dankend, erlaube ich mir in italienischer Sprache zu antworten, der Sprache,
die E. D. verstehen und lieben. E. D. hatten die Güte, der wohlwollenden
Herzlichkeit, die Sie unseren persönlichen Beziehungen aufgeprägt haben,
und der Sympathie, die Sie immer für mein Land zeigten, seit Sie eskannten,
noch einmal Ausdruck zu geben. Als Botschafter in Rom, als Minister des
Äußern und als Reichskanzler haben Sie stets die Interessen Italiens im
Einklang mit denen Deutschlands betrachtet. Deshalb konnte das Bündnis
zwischen den beiden Staaten während Ihrer ganzen Amtszeit fortdauern
und die Schwierigkeiten mancher delikaten Situation überwinden, weil
E. D. in der Festhaltung der Verträge den festen Willen und die Loyalität
gesetzt hatten, die Sie auch das Recht hatten von uns zu erwarten und die
von uns immer mit nicht weniger spontanem Gefühl und nicht weniger
vertrauensvoll erwidert wurden. Nachdem Sie freiwillig Ihren verant-
wortungsvollen Posten verlassen, begleitet von der Achtung Ihres Souve-
räns und umgeben von dem Respekt und der allgemeinen Bewunderung,
bleiben E. D. die stärkste Persönlichkeit der deutschen Politik, und mein
politischer Egoismus bestimmt mich, Sie noch als wertvollen Mit-
arbeiter zu betrachten, an den ich oder wer auch sonst meinen Posten
in Zukunft bekleiden wird, sich vertrauensvoll wenden kann mit der Sicher-
heit, volle Erwiderung unserer Gefühle zu finden. Der Brief E. D. läßt mich