Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

Frau von 
Bethmann 
Hollwweg 
20 EIN SCHWACHER CHARAKTER 
Am nächsten Tage schrieb mir mein Nachfolger: „„Sehr verehrter Fürst! 
Eure Durchlaucht wollten eine Aufzeichnung der Worte hahen, mit denen 
ich im Staatsministerium versucht habe, unserm Schmerz über Ihr 
Scheiden und unserem Dank für Ihr Schaffen Ausdruck zu geben. Beim 
Rekonstruieren dessen, was ich gesagt habe, erkenne ich von neuem die 
Unvollkommenheit meines Versuchs. Ich muß Eure Durchlaucht bitten, 
erneut Nachsicht mit mir zu haben. Was ich sagte, kam aus dem Herzen 
und zum größten Teil, wie es die Anregung des Augenblicks eingab. Ich 
habe auch jetzt am Ausdruck nicht mehr zu feilen versucht. Der erste 
Trubel der Briefe und Depeschen ist glücklich vorüber, und ich kann an die 
Arbeit gehen. Darin liegt für mich die einzige Möglichkeit, das innere 
Gleichgewicht wiederzuerlangen. Ich werde glücklich sein, wenn Sie mir 
nach einiger Zeit gestatten wollen, durch brieflichen Meinungsaustausch 
gewonnene Eindrücke und Urteile zu rektifizieren. Heute kann ich nur 
immer wiederholt meinem Dank dafür Ausdruck geben, was Eure Durch- 
laucht mir alles in den letzten Jahren gewesen sind. Der Fürstin küsse ich 
ehrerbietigst die Hand und bin in steter und aufrichtigster Verehrung 
Eurer Durchlaucht treu ergebenster Bethmann Hollweg.“ War die Ge- 
sinnung treuester Anhänglichkeit, wärmster Verehrung, die aus diesen 
Zeilen sprach, aufrichtig ? Ich glaube nicht, daß hinter diesen Beteuerungen 
Heuchelei oder gar Hinterlist lauerten. Aber die Zukunft sollte zeigen, daß 
Bethmann Hollweg ein schwacher Charakter war, und schwache Charaktere 
sind weder ganz aufrichtig noch wirklich dankbar. 
Bei der Ernennung von Bethmann zum Reichskanzler fehlte es nicht an 
warnenden Vorzeichen. Als feststand, daß Bethmann mein Nachfolger werden 
würde, bat ich meine Frau, sich zu Frau von Bethmann zu begeben, um ihr 
zu sagen, daßsie sichihrer Nachfolgerin fürdie Einrichtung des Reichskanzler- 
palais mit ihren eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet gern zur Verfügung 
stelle. Frau von Bethmann war eine treffliche Frau. Sie hatte sich nicht ganz 
leicht entschließen können, dem aus einem anderen Milieu hervorgegangenen 
Theobald die Hand zu reichen, denn sie entstammte der alten märkischen 
Junkerfamilie Pfuel, von der in seinen prächtigen Wanderungen durch die 
Mark Theodor Fontane manches Hübsche erzählt. Einmal mit Bethmann 
Hollweg verheiratet, wurde sie ihm eine gute und liebevolle Frau. Die Ehe 
war sehr glücklich. Als meine Frau bei der Gattin des künftigen Kanzlers 
eintrat, sagte ihr diese unter Tränen: „Das ist ein Unglück für meinen 
armen Mann! Ich liebe meinen Mann, und gerade deshalb hätte ich ge- 
wünscht, daß dieser Kelch an ihm vorüberginge. Er ist bei aller seiner 
Pflichttreue, seiner Gewissenhaftiskeit und mit so vielen schönen Gaben 
dieser Stellung nicht gewachsen. Er ist so unentschlossen, so schwankend, 
so ängstlich, und dann wieder verrennt er sich. Wir machen in unserem
	        
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