Frau von
Bethmann
Hollwweg
20 EIN SCHWACHER CHARAKTER
Am nächsten Tage schrieb mir mein Nachfolger: „„Sehr verehrter Fürst!
Eure Durchlaucht wollten eine Aufzeichnung der Worte hahen, mit denen
ich im Staatsministerium versucht habe, unserm Schmerz über Ihr
Scheiden und unserem Dank für Ihr Schaffen Ausdruck zu geben. Beim
Rekonstruieren dessen, was ich gesagt habe, erkenne ich von neuem die
Unvollkommenheit meines Versuchs. Ich muß Eure Durchlaucht bitten,
erneut Nachsicht mit mir zu haben. Was ich sagte, kam aus dem Herzen
und zum größten Teil, wie es die Anregung des Augenblicks eingab. Ich
habe auch jetzt am Ausdruck nicht mehr zu feilen versucht. Der erste
Trubel der Briefe und Depeschen ist glücklich vorüber, und ich kann an die
Arbeit gehen. Darin liegt für mich die einzige Möglichkeit, das innere
Gleichgewicht wiederzuerlangen. Ich werde glücklich sein, wenn Sie mir
nach einiger Zeit gestatten wollen, durch brieflichen Meinungsaustausch
gewonnene Eindrücke und Urteile zu rektifizieren. Heute kann ich nur
immer wiederholt meinem Dank dafür Ausdruck geben, was Eure Durch-
laucht mir alles in den letzten Jahren gewesen sind. Der Fürstin küsse ich
ehrerbietigst die Hand und bin in steter und aufrichtigster Verehrung
Eurer Durchlaucht treu ergebenster Bethmann Hollweg.“ War die Ge-
sinnung treuester Anhänglichkeit, wärmster Verehrung, die aus diesen
Zeilen sprach, aufrichtig ? Ich glaube nicht, daß hinter diesen Beteuerungen
Heuchelei oder gar Hinterlist lauerten. Aber die Zukunft sollte zeigen, daß
Bethmann Hollweg ein schwacher Charakter war, und schwache Charaktere
sind weder ganz aufrichtig noch wirklich dankbar.
Bei der Ernennung von Bethmann zum Reichskanzler fehlte es nicht an
warnenden Vorzeichen. Als feststand, daß Bethmann mein Nachfolger werden
würde, bat ich meine Frau, sich zu Frau von Bethmann zu begeben, um ihr
zu sagen, daßsie sichihrer Nachfolgerin fürdie Einrichtung des Reichskanzler-
palais mit ihren eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet gern zur Verfügung
stelle. Frau von Bethmann war eine treffliche Frau. Sie hatte sich nicht ganz
leicht entschließen können, dem aus einem anderen Milieu hervorgegangenen
Theobald die Hand zu reichen, denn sie entstammte der alten märkischen
Junkerfamilie Pfuel, von der in seinen prächtigen Wanderungen durch die
Mark Theodor Fontane manches Hübsche erzählt. Einmal mit Bethmann
Hollweg verheiratet, wurde sie ihm eine gute und liebevolle Frau. Die Ehe
war sehr glücklich. Als meine Frau bei der Gattin des künftigen Kanzlers
eintrat, sagte ihr diese unter Tränen: „Das ist ein Unglück für meinen
armen Mann! Ich liebe meinen Mann, und gerade deshalb hätte ich ge-
wünscht, daß dieser Kelch an ihm vorüberginge. Er ist bei aller seiner
Pflichttreue, seiner Gewissenhaftiskeit und mit so vielen schönen Gaben
dieser Stellung nicht gewachsen. Er ist so unentschlossen, so schwankend,
so ängstlich, und dann wieder verrennt er sich. Wir machen in unserem