Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

DIE KREUZZEITUNG 369 
Durch den Blätterwald der deutschen Presse ging nach meinem Rück- 
tritt ein starkes Rauschen. Es ist dem Deutschen nicht gegeben wie dem 
Franzosen, Italiener und Engländer, jeden Staatsmann, der sich Verdienste 
um das Land erworben und im öffentlichen Leben eine Rolle gespielt hat, 
mehr nach seinen Vorzügen als nach seinen Mängeln, mehr nach seinen 
Erfolgen als nach seinen Mißerfolgen zu beurteilen und ihn so in das 
Nationalmuseum einzurangieren. Bei uns überwiegt meist die Kritik, oft 
eine allzu kleinliche, noch öfter eine spießbürgerliche Kritik. Immerhin 
gestand auch die „Kreuzzeitung‘, obwohl sie erklärte, meine Meinungs- 
verschiedenheit mit der Konservativen Partei auf das tiefste zu bedauern: 
„In der auswärtigen Politik fand der vierte Kanzler die gewaltige Aufgabe 
vor, unsere kontinentale Position gegen die Schwierigkeiten zu behaupten, 
mit denen schon Bismarck gekämpft hatte, und dazu noch die wegen der 
Entwicklung unserer überseeischen Interessen, unserer Exportindustrie 
und unseres Außenhandels schwierig gewordene Aufgabe, gute Beziehungen 
zu England, Japan und Amerika zu pflegen: das ist ihm meisterhaft ge- 
lungen. Kein beachtenswerter Gegner des Fürsten Bülow hat dieses sein 
Verdienst je zu bestreiten versucht. Von alldeutscher Seite ist es ihm oft 
schwer genug gemacht worden, gute Beziehungen zu England zu pflegen; 
in der Marokko-Angelegenheit haben die Freisinnigen mit ebensoviel Eifer 
wie Ungeschick seine Kreise zu stören gesucht. Die ruhige und umsichtige 
Art des Kanzlers hat fast immer diese Hindernisse beiseitezuschieben 
gewußt, so daß seine Führung unserer auswärtigen Politik auch in stür- 
mischer Zeit im Lande selbst den Eindruck absoluter Zielsicherheit machte 
und ihre Erfolge mehr im Auslande als bei den Deutschen selbst Über- 
raschung und Staunen hervorriefen. Man spricht so viel von den ästhetischen 
Neigungen des Fürsten Bülow, auch von der Kunst seiner Rede und seiner 
Geste. Ein größerer Künstler war er, wo er schweigend handelte. Da 
mußte allemal vor dem Resultat auch die grundsätzlich alles besser 
wissende Kritik verstummen.“ 
Wenn ich für Anerkennung von seiten meiner Landsleute in der deut- 
schen Presse dankbar war, so gereichten mir doch vom Standpunkt des 
Argumentum e contrario einige prägnante Äußerungen ausländischer 
und namentlich großer englischer Blätter noch mehr zur Genugtuung. 
Das Organ des Foreign Office, die „Morning Post“, schrieb bei meinem 
Rücktritt: „Es ist für die Gegner des Fürsten Bülow nicht angenehm, zu 
konstatieren, aber es trifft zu, daß Deutschland seit lange nicht so stark und 
mächtig dagestanden hat wie jetzt.“ Der Londoner „Daily Telegraph“ 
meinte: Fürst Bülow trete vom Amt zurück, nachdem er mehr als irgendein 
anderer dazu beigetragen habe, die Geschicke des deutschen Staates durch 
eine Periode außerordentlicher Schwierigkeiten hindurchzusteuern. Es 
24 Bülow IH 
Die deutsche 
Presse 
Die englische 
Presse
	        
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