30 DIE „GENERALS-KAMARILLA“
aufnahme seines Prozesses zu beantragen, obschon er während dieser
langen Zeit in seinem Schlosse Liebenberg viele Besucher bei sich sah, die
ihn in leidlichem Wohlsein und meist auch in leidlicher Stimmung fanden,
ist es begreiflich, daß er weiten Kreisen für schuldig gilt. Mir persönlich sind
erst allmählich Zweifel an Eulenburgs Unschuld aufgestiegen, Zweifel, die
leider durch den Ausgang seines Prozesses bestätigt werden sollten.
Zur Erläuterung des Eulenburgschen Briefes möchte ich hinzufügen, daß
Eulenburg mit dem ersten Steuermann, der ein „Alpinist‘ sei, den Staats-
sekretär des Äußern Herrn von Schön meinte, der sich in Berchtesgaden
den kaiserlichen Prinzen als Bergführer nützlich gemacht hatte. Es ist dies
übrigens der einzige Satz, den Haller (Aus dem Leben des Fürsten Philipp
zu Eulenburg-Hertefeld, Seite 367) aus diesem langen Brief erwähnt hat,
über den er im übrigen hinweggeht, wohl weil die Note der Dankbarkeit,
auf die der Brief gestellt ist, sich schwer mit der einseitigen Gesamt-
darstellung Hallers hätte vereinigen lassen. Fürst Max Fürstenberg, der
Schloßherr von Donaueschingen, der Philipp Eulenburg in dessen Stellung
als politischer Vertrauter Seiner Majestät abgelöst hatte, mag allerdings
gegen mich gehetzt haben, weil er mich gegenüber den oft übertriebenen
Wünschen und Ansprüchen seines österreichischen Vaterlandes nicht em-
pressiert genug fand. Unter der „Generals-Kamarilla“ verstand Eulenburg
die Generäle Hülsen-Häseler, Kessel und Plessen, die in Phili wegen seiner
spiritistischen Neigungen und seines Hangs zur Intrige allerdings einen
Schädling sahen und darauf gedrängt hatten, daß er sich von dem Verdacht
perverser Verirrungen durch einen Prozeß gegen Maximilian Harden reini-
gen solle. Mit den „‚neidischen Standesgenossen“ sind zwei Jugendfreunde
Eulenburgs gemeint, der Fürst Richard Dohna und der Graf Bolko Hoch-
berg, die, wie ich früher erwähnen mußte, im Laufe der von Phili gegen den
Hofrat Pierson angezettelten Intrige seine Gegner geworden waren. Bei
diesem Rückblick auf die Ängste und Prüfungen des armen Phili drängt
sich die Ähnlichkeit auf, die nach Veranlagung wie nach Lebensschicksal
zwischen ihm und Oscar Wilde besteht. Nur daß der Poet die harte Strafe
verbüßen mußte, welcher der Fürst entging. Dafür ist als Dichter der Eng-
länder dem Deutschen überlegen. „The picture of Dorian Gray“ und „Sa-
lome“, „De profundis“ und „Die Ballade vom Zuchthaus zu Reading“
stehen künstlerisch höher als die „Skaldengesänge“ und die „Rosenlieder“.