32 „TREUE KAISERLIKE"
Volk und Parlament zu nachgiebigen, gegenüber der erhabenen Person
Seiner Majestät viel, viel zu strengen Haltung im November 1908, die ihn
so empört habe, daß er einen schweren Herzkrampf erlitten hätte. Seine
belgisch-pariserische Gattin schrieb nach Paris und Brüssel, daß ich un
homme fini wäre, und erklärte in den Berliner Diplomatensalons, daß sie
und ihr Mann als „treue Kaiserlike‘‘ mit mir nichts mehr zu tun haben
wollten.
Kiderlen schrieb mir nach meinem Rücktritt: „Durchlauchtigster
Fürst, nachdem die Tage der Aufregung und Kämpfe und die nicht minder
ermüdenden Tage zahlloser ehrenvoller Sympathiekundgebungen vorüber
sind, wollen es Eure Durchlaucht einem bescheidenen, aber treuen An-
hänger gestatten, Ihnen direkt noch einmal die Gefühle treuer und sich
gleich bleibender Verehrung auszusprechen, die durch äußere Vorgänge
keinen Wandel erfahren können. Als Deutscher und ganz besonders als
langjähriger Beamter des auswärtigen Dienstes kann ich das Ausscheiden
Eurer Durchlaucht aus Ihrem bisherigen erfolgreichen Wirkungskreise nur
auf das tiefste beklagen. Dies bedarf einer besonderen Ausführung nicht.
Ich habe aber auch genügenden Einblick in die schwere und verantwor-
tungsvolle Tätigkeit Eurer Durchlaucht gehabt, um es Ihnen nachfühlen
zu können, daß Sie jetzt ein gewisses Gefühl der Befriedigung überkommt,
wenn Sie in Ruhe und ohne die täglichen Sorgen auf das Erreichte und
Geschaffene zurückblicken können. Eure Durchlaucht werden es aber ver-
stehen, wenn ich dabei den Wunsch ausspreche, daß Eure Durchlaucht auch
fernerhin mit der inneren und ganz besonders mit der äußeren Politik
unseres Vaterlandes eng verknüpft bleiben werden und Kaiser und Reich
nie Ihres erfahrenen Rates entbehren mögen. Wenn ich aber heute an Eure
Durchlaucht schreibe, so geschieht es vor allem, um Ihnen, verehrter Fürst,
und der verehrten Fürstin meinen innigen und aufrichtigen Dank für die
stets so liebenswürdige, unvergeßliche Aufnahme in Ihrem Hause auszu-
sprechen und ebenso dem Dank und der Verehrung Ausdruck zu geben,
die ich stets dem wohlwollenden Vorgesetzten bewahren werde. Ich werde
ganz besonders mit lebhaftem Dank stets des letzten Winters gedenken,
während dessen es mir vergönnt war, längere Zeit direkt unter Eurer Durch-
laucht zu arbeiten. Ich hoffe, daß Eure Durchlaucht einen Teil des Sommers
oder Winters in Berlin zubringen werden und ich dann auf Urlaub Gelegen-
heit haben werde, Eure Durchlaucht und die Fürstin auch mündlich meiner
unwandelbaren Gefühle zu versichern. Vorläufig bitte ich, auf diesem Wege
den Ausdruck meiner treu-dankbaren Anhänglichkeit entgegenzunehmen.
Meine besten und herzlichsten Wünsche für Ihr Wohlergehen begleiten Sie
beide. Indem ich bitte, mich der Frau Fürstin zu Füßen zu legen, verbleibe
ich mit dem Ausdruck alter anhänglicher Verehrung stets Eurer Durch-