34 EIN PROTEGE BÜLOWS
längst den Husarensäbel mit der Pflugschar vertauscht hatte. Er schrieb
mir, er habe einen jüngeren Bruder mit schwacher Gesundheit und noch
schwächerem Geldbeutel, der aber nichtsdestoweniger von dem brennenden
Wunsch erfüllt wäre, Diplomat zu werden. Ob er mir als Attache genchm
sein würde? Rom mit seinem guten Klima und seinen nicht allzu teueren
Lebensbedingungen wäre für Gottlieb, so hieß der Anwärter, das Ideal
seiner Wünsche und Träume. Ich verwandte mich beim Auswärtigen Amt
für den jungen Mann mit der Erklärung, daß ich ihn gern nehmen würde.
Er meldete sich bald darauf im Palazzo Caflarelli, wurde auf das freund-
lichste aufgenommen und während zwei Jahren als Kind im Hause be-
handelt. Ich würde die Apostrophe des Friedländers an Max Piccolomini
zitieren: „Sieh, als man dich im Pragschen Winterlager ins Zelt mir brachte,
einen zarten Knaben“, wenn nicht der Abstand gar zu groß wäre zwischen
Gottlieb Jagows Statur und dem ritterlichen Reitceroberst, der, mit hoch-
geschwungenem Säbel, mit wehendem Helmbusch und im langen Haar
bei Neustadt in das schwedische Feldlager einbrach, den Tod suchend. Ich
hielt auch als Staatssekretär und als Reichskanzler weiter meine Hand
über Jagow, ich verwandte ihn nur an ihm erwünschten, billigen und
gesunden Posten: in Hamburg, in München, vor allem immer wieder als
Dritten, Zweiten und Ersten Sekretär in Rom.
1906, nach meinem Ohnmachtsanfall im Reichstag, wurde Jagow in
das Auswärtige Amt einberufen, weil man meinem kleinen Proteg& dort
auf den Zahn fühlen wollte. Nach meiner Genesung erschien er bei mir,
um mir zu sagen, daß seine zarte Gesundheit die sitzende Lebens-
weise und die starke Arbeit in der Politischen Abteilung des Auswärtigen
Amtes nicht vertrüge, er es auch gar zu gern bis zum Gesandten
bringen möchte. Ich verschaffte ihm den angenehmen und bequemen
Posten eines deutschen Gesandten in Luxemburg, von wo er oft nach
Brüssel fuhr, um sich durch den dortigen deutschen Gesandten am bel-
gischen Hofe, den Grafen Wallwitz, und dessen Frau, meine Stieftochter,
mir in empfehlende Erinnerung zu bringen. Als nun Monts Rom verließ,
weil er selbst fühlte, daß er sich dort bei Italienern und Deutschen gleich
unmöglich gemacht hatte, schlug ich dem Kaiser Jagow als Nachfolger vor.
Ich habe schon einige Dummheiten gebeichtet, die ich gerade in Perso-
nalien begangen habe. Die Beförderung von Jagow zum Botschafter in
Rom war eine meiner Dummheiten. „Was, diesen Knirps wollen Sie als
Botschafter in die Welt schicken ?“ meinte erstaunt Wilhelm II., als ich
ihm meinen Vorschlag unterbreitete. Zu meiner Entschuldigung möchte ich
sagen, daß Jagow durch langen Aufenthalt in Rom das dortige Terrain
kannte, daß unsere Beziehungen zu Italien damals, 1909, sehr gut waren
und daß für Monts, der durch sein taktloses Gebaren viel Anstoß