DIE VERARMTE POLITIK 45
jüngeren Offizieren der „Sternickel“ hieß, noch eine persönliche Freude zu
bereiten, war aber damit bei Valentini und bei Seiner Majestät nicht durch-
gedrungen.
Ich darf endlich hier noch den Brief wiedergeben, den Walter Rathenau
am Ende des Jahres 1909 an meine Frau richtete: „Gnädigste Fürstin,
endlich gibt das Herannahen des Festes und des neuen Jahres mir die Frei-
heit, Ihnen und dem Fürsten ein Wort der Verehrung und Anhänglichkeit
auszusprechen. Ich höre mit Freuden, daß Sie und der Fürst auf der klassi-
schen Stätte der Erinnerungen Ruhe und Erholung finden; wir aber hier im
Norden sind durch Ihre Entfernung sehr verarmt. Die Politik hat alles
Interesse verloren. Wir glauben sie in guten Händen, allein der Eindruck
überschüssiger Kraft, der jedem Werk der Kunst und Praxis Leben und
Reichtum verleiht, ist geschwunden. Sparsames Zusammenhalten der
Kräfte, Vorsicht und Zurückhaltung ist an die Stelle einer fast künst-
lerischen Freiheit de Waltens getreten; aber diese an sich vorzüglichen
Eigenschaften, die in beruhigten Zeiten wohltuend und konservierend
wirken können, kontrastieren seltsam gegen die maclıtvolle innere Expan-
sion des Landes und die Druckkräfte, die es nach außen erzeugt. So ist
Politik und Verwaltung wieder einmal im Begriff, sich als unser ärmstes
und unfreiestes Lebensgebiet zu erweisen, und das Interesse des Privat-
manns wendet sich wieder von diesem Zentralpunkt ab und eigenen Berufs-
aufgaben zu. Wie sehr hierneben Ihre und des Fürsten Gegenwart auch mir
fehlt und mit welchen Gefühlen ich an die letzten Jahre zurückdenke, kann
ich nicht aussprechen. Die schönen Tage in Norderney haben mir den Ein-
druck gegeben, daß der Fürst in der souveränen Freiheit seines Denkens
das Gleichgewicht der Seele befestigt hat, ich selbst kann mich von einer
leidenschaftlichen Betrachtung nicht frei'machen. Ich bitte Eure Durch-
laucht, dem Fürsten die Versicherung meiner verehrungsvollsten Treue zu
übermitteln.“