Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

BÜLOWS GUTES GEDÄCHTNIS 49 
Schaden des Staates veröffentlichen konnte, und zweitens weil es — 
wofür gerade Eure Majestät das größte Verständnis haben werden — nicht 
gentlemanlike gewesen wäre, einen Mann, mit dem man dreißig oder 
vierzig Jahre Beziehungen gehabt hat, zu schneiden, weil er gestürzt ist.‘ 
„Bernhard war nicht mehr derselbe. Er war vergeßlich geworden seit seinem 
Unfall im Reichstag, er hatte auch vergessen, daß ich den ganzen Inhalt 
des Interviews mit ihm in Norderney besprochen hatte, daß er meinen 
Brief an meine Großmutter mit dem Feldzugsplan selbst korrigiert hatte.“ 
‚Aber, Euer Majestät, ich habe gar nichts gemerkt von VergeBlichkeit, 
Bernhard war jetzt lebhafter und brillanter denn je.‘ ‚Ja, das ist in der 
Konversation, in den Geschäften wußte er manchmal nicht, was wir den 
Tag vorher besprochen hatten.‘ ‚Darüber kann ich mir ja kein Urteil 
anmaßen, aber wenn dem so wäre, wenn, wie Eure Majestät glauben, das 
die unglückliche Folge seiner Ohnmacht im Reichstag wäre, so könnte das 
doch nur ein Grund für Eure Majestät sein, Bernhard jetzt um so milder 
zu beurteilen.‘ ‚Auf diese Brücke bin ich auch getreten, sonst hätten wir 
uns schon gleich getrennt. Darum ist es noch so lange gegangen. Aber die 
Konservativen haben mir ja gesagt, als ich ihnen vorhielt, wie sie sich 
unterstehen könnten, der Krone Opposition zu machen, sie hätten den 
Kanzler nicht unterstützen können, der mich so im Stich gelassen hätte.‘ 
Hier unterbrach uns der König, weil es Zeit war, zur Illumination zu fahren. 
Der Kaiser sprach aber noch lebhaft auf mich ein, um sich — ich kann es 
nicht anders ausdrücken — zu rechtfertigen, bis der König ein zweites Mal 
kam, worauf der Kaiser etwas unwillig abbrach und folgte. Ich muß 
billigerweise hinzufügen, daß der Kaiser sich nicht unzugänglich zeigte, 
daß er mich ruhig ausreden ließ und meinen Widerspruch durchaus nicht 
ungnädig aufnahm. Die Umstehenden, darunter Minister Metzsch, hatten 
die lange Unterredung mit größter Spannung beobachtet: ich hätte ein so 
ernstes Gesicht gemacht und so eindringlich gesprochen, daß man wohl 
bemerkt hätte, daß wir uns keine Späße erzählten. Leider habe ich nicht 
Dein angezweifeltes herrliches Gedächtnis, und Du mußt Dich nur mit den 
Umrissen begnügen, die ich behalten habe. Der Kaiser, der den Tag über 
sehr guter Laune gewesen, war auf dem Schiff, von dem aus die Illumination 
betrachtet wurde, auffallend ernst, in seinen Mantel gewickelt, sprach mich 
auch nicht wieder an. Valentini, dem ich einiges erzählte, sagte mir: ‚Wir 
können Ihnen nur dankbar sein, wir geben uns ja alle die größte Mühe, den 
Kaiser von seiner falschen Ansicht abzubringen. Und was das Gedächtnis 
betrifft, so ist das eine alte, haltlose Geschichte, kein Mensch hat ein solches 
Gedächtnis wie der Fürst Bülow. Wir tun natürlich alles, damit diese 
schiefen Urteile nicht in weiteren Kreisen bekannt werden. Sie werden 
sehen: wenn der Fürst zur Konfirmation der jungen Prinzeß nach Berlin 
4 Bülow II
	        
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