Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

50 BÜLOW UND HARDEN 
kommt und den Kaiser sieht, wird alles wieder in Ordnung sein.‘ Damit 
endeten meine Gespräche an diesem denkwürdigen Tage. Es war ja nicht 
ganz leicht, dem Kaiser gegenüber den eigenen Standpunkt zu wahren, 
weil S.M. einen geradezu über den Haufen rennen will mit seinen Ar- 
gumenten. Ich blieb aber ganz fest bei meiner Ansicht, und wenn nicht der 
König uns getrennt hätte, so wäre das Gespräch wahrscheinlich noch lange 
fortgesetzt worden, denn ich hatte noch alles mögliche auf der Zunge. 
Jedenfalls habe ich das gute Gewissen, nicht nachgegeben zu haben and 
to have had my way. Hoffentlich hat es den Erfolg, daß S.M. etwas 
Einkehr hält und in seinen Gesprächen Dir etwas mehr Gerechtigkeit 
widerfahren läßt als in den letzten Wochen!“ 
Ich bemerke zu diesem Brief meines Freundes Vitzthum, daß ich 
während meiner Amtszeit Harden nie gesehen habe. Ich bin ihm erst später, 
wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, im Herbst 1911 bei Felix von 
Eckardt in Hamburg begegnet. Es ist richtig, daß mich Harden, bis wir 
uns persönlich kennenlernten und über manches aussprachen, mit großer 
Schärfe angegriffen hat. Daß er mich in den Novembertagen beeinflußt 
haben sollte oder ich ihn, ist eine absurde Annahme. Harden ist bekanntlich 
schwer zu beeinflussen, und wie sollte ich mich von einem Publizisten 
inspirieren lassen, der, von seiner damaligen ausgesprochenen persönlichen 
Gegnerschaft gegen mich zu schweigen, politisch auf einem ganz anderen 
Boden stand als ich. Gewiß unterhielt Harden freundschaftliche Be- 
ziehungen wie zu Holstein so auch zu Walter Rathenau und zu dem 
damaligen Direktor des Deutschen Schauspielhauses, dem Freiherrn Alfred 
von Berger, die beide gute Bekannte von mir waren. Ich habe diese in- 
direkten Beziehungen zu Harden nur zu dem Versuche benutzt, ihn 
während und nach den Novembertagen zu einer maßvolleren Beurteilung 
des Kaisers zu veranlassen, und schon früher, um ihn zu bewegen, seine 
Kampagne gegen Pbilipp Eulenburg einzustellen. Charakteristisch für den 
Kaiser war, daß er unmittelbar nach seiner Unterredung mit dem Grafen 
Friedrich Vitzthum meinem Freunde seinen höchsten Orden, den Schwarzen 
Adlerorden, verlieh. Zum allgemeinen Erstaunen, denn eine Veranlassung 
für diesen ungewöhnlichen Gnadenbeweis lag nicht vor, und Vitzthum war 
für eine solche Auszeichnung gar nicht an der Reihe. 
Was die „Kreuz-Zeitung“ und die „Märkische Volkszeitung“ über die 
Novemberereignisse verbreiteten, entsprach ungefähr dem, was mir der 
Kaiser in der von mir früher wiedergegebenen Unterredung vom 11. März 
1909 gesagt und was ich ihm gegenüber damals mit Ernst zurückgewiesen 
hatte. Ich bin mir auch heute noch nicht ganz im klaren darüber, ob 
Wilhelm II., wenn er derartige Behauptungen aufstellte, mit Bewußt- 
sein fabulierte, oder ob es sich um eine Autosuggestion handelte: in der
	        
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