Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

DIE „DEGAGIERTE“ KRONE 59 
ist. Ich bezweifle es. Doch genug davon, mögst Du Deinen Gleichmut 
bewahren wie bisher. In schlaflosen Nächten gehen mir diese Dinge durch 
den Kopf, und ich konnte mich nicht zurückhalten. Viele Grüße der lieben, 
verehrten Fürstin. In Gedanken viel bei Euch Dein B. K.“ 
In meiner Antwort an meinen Waffenbruder aus großer Zeit, mit dem 
ich Schulter an Schulter in der Schlacht an der Hallue attackiert hatte, 
hieß es: „Ich habe in diesen Tagen manche Zeichen von Anhänglichkeit 
und Wohlwollen erhalten, aber keine schöneren und verständnisvolleren 
als die Deinigen. Als vor bald einem Jahre die Bombe platzte, von der ich 
nicht wußte, welchen Sprengstoff sie in sich barg, war mein erster und 
leitender Gedanke, Seine Majestät den Kaiser aus der Schußlinie zu bringen. 
Ich hatte, mit Arbeit überhäuft, durch schwerwiegende, sehr ernste Auf- 
gaben der inneren und äußeren Politik absorbiert, im Vertrauen auf meine 
Untergebenen (Schön, Stemrich, Müller, Klehmet) das Manuskript des 
‚Daily-Telegraph‘-Artikels nicht selbst geprüft. Meine Untergebenen hatten 
aus Respekt vor kaiserlichen Äußerungen, in der Befürchtung, daß nach- 
trägliche Korrekturen die Sache noch schlimmer machen könnten, und 
wohl auch aus Mangel an Perspikazität die Sache durchgelassen. Dieses 
Versäumte benutzte ich, um in dem Dir bekannten Artikel der ‚N. A. 2. 
als alleinverantwortlicher Beamter im Reich alle Verantwortung auf mich 
allein zu nehmen. Ich stellte das Auswärtige Amt und mich selbst 
rücksichislos bloß, um die Krone zu degagieren. In diesem Sinne wurde 
auch, soweit sie zugänglich war, auf meine Weisung die Presse instruiert. 
Es gibt aber Strömungen, die sich nicht länger zurückdrängen, die sich nicht 
mehr aufhalten lassen. Es gibt Situationen, wo lange angesammelter 
Zündstofl eine Explosion herbeiführt. Trotz meiner Bemühungen gingen 
öffentliche Meinung, Presse, die ganze Nation über die formale Schuldirage 
und über das Versäumnis im Auswärtigen Amt stürmisch weg, um sich nur 
an die Frage zu halten: Hat Seine Majestät wirklich solche Dinge gesagt ? 
Und wenn ja, wie soll die Wiederholung solcher Vorkommnisse verhindert 
werden? Es war eben seit zwanzig Jahren zu viel vorausgegangen, was die 
weitesten Kreise erregt und verstimmt hatte. Gegenüber diesen mit 
elementarer Gewalt durchbrechenden Strömungen verlor ich nicht den 
Kopf, sondern richtete alle meine Bemühungen auf das eine Ziel: Ver- 
hindern, daß die Krone aus diesem Sturm geschwächt hervorgehe, dahin 
wirken, daß sie, wenn der Sturm sich gelegt, ebenso fest und sicher und 
glanzvoll dastehe wie vorher, im Innern und nach außen, vor den deutschen 
Fürsten und vor dem deutschen Volke. Denn die Kaiserkrone ist der 
Schluß- und Eckstein unserer Einheit, Sicherheit und Zukunft. Um dies 
Ziel zu erreichen, durfte ich Seine Majestät den Kaiser diesesmal nicht 
dialektisch verteidigen wie früher im Lippe-, im Swinemünder und in 
Bülovs - 
Antwort
	        
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