Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

NICHT ESEL, NICHT SCHURKE 61 
meiner Amtszeit. Du kannst Dir denken, welche Verachtung unter diesen 
Umständen die Verleumdungskampagne in mir hervorruft, die gegen mich 
in Szene gesetzt worden ist. Diese Verachtung überwiegt auch die nicht 
weniger begreiflichen Gefühle der Frbitterung und des Zornes über so viel 
Niedertracht und so ungeheure Dummheit. Sohn eines Diplomaten, von 
Jugend auf selbst Diplomat, Gesandter, Botschafter, Staatssekretär, 
Reichskanzler, während zwölf Jahren Leiter unserer auswärtigen Politik, 
soll ich nach den konservativen Blättern die gefährliche Wirkung des 
bedenklichen Teiles des Interviews nicht vorausgeschen haben. Nach 
Herrn Erzberger und den klerikalen Blättern soll ich absichtlich eine 
Situation herbeigeführt haben, die das Land im Innern und nach außen in 
die schwierigste Situation und mich selbst als Reichskanzler in die 
unbequemste und gefährlichste Lage brachte, in der sich ein Minister 
befinden kann. Nein! Ein solcher Esel bin ich nicht und ein Schurke auch 
nicht. Welch ein Schauspiel würde es sein, wenn den durchschlagenden und 
ganz unwiderleglichen Erklärungen, die ich kürzlich dem Kanzler gegeben 
habe, Hofklatsch und Hintertreppenerzählungen entgegengehalten würden, 
welche Nahrung würde daraus das Gerede über Kamarilla und Persönliches 
Regiment ziehen! Mein Patriotismus und meine Königstreue lassen mich 
schweigen, aber nur deshalb schweige ich. Die Parteien sind egoistisch. Der 
blauschwarze Block will das Odium für den wenig günstigen Ausgang der 
Reichsfinanzreform nicht tragen und auch nicht die volle Verantwortung 
für meinen Rücktritt. Das Zentrum will nicht im Lichte niedriger Rach- 
sucht dastehen, die Konservativen nicht als diejenigen, die einen um Land- 
wirtschaft und konservative Interessen verdienten Kanzler zum Rücktritt 
gezwungen haben. Deshalb suchen die Parteien das Odium auf die Krone 
abzuladen. Das sind die Motive der Verleumdungskampagne, von der Du 
sagst, daß sie Dich mit Widerwillen erfüllt. Es war mir ein Bedürfnis, Dir 
gegenüber meinem Herzen Luft zu machen, wo uns eine so alte Freundschaft 
verbindet und weil Dein Brief mir tiefes Verständnis zeigt. Wir werden uns 
freuen, bei unserer Durchreise nach Rom bei Dir zu essen, und hoffen sehr 
auf Deinen Besuch in Rom. Immer Dein treu ergebener Bülow.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.