Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

Wieder- 
begegnung mit 
dem Kaiser 
VI. KAPITEL 
In Berlin » Unterrednng mit Bethmann im Oktober 1909 . Frühstück bei den Majestäten 
im Neuen Palais « Die Soirce zum Geburtstag der Kaiserin am 22. X. 1909 . Letzte 
Begegnung zwischen Fürst Bülow und Wilhelm II. vor dem Ausbruch des Weltkriegs 
Reise nach Beru - Wiedersehen mit dem Bruder Alfred - Ankunft in Rom - Die Villa 
Malta » Geschichtliches « Erster Gang zum Kapitol « Leben in Rom - Barriere » Das 
Pamphlet „Deutsche Machthaber“ « Der Chef der Reichskanzlei von Locbell 
m 21. Oktober trafen wir aus Norderney wieder in Berlin ein. 
Bethmann erschien sogleich bei mir im Hotel Adlon, um mir zu sagen, 
wie dankbar er mir wäre, daß ich keine Preßkampagne begonnen hätte. Er 
wisse, wie viele inländische Publizisten aller Parteien und auch ausländische 
Journalisten sich mir zur Verfügung gestellt hätten. Noch dankbarer sei er 
dafür, daß ich keinen Preßprozeß gegen Theodor Schiemann und Matthias 
Erzberger angestrengt habe. Die Konsequenzen eines solchen für den 
Kaiser wären ja ganz unberechenbar gewesen. „Eure Durchlaucht“, 
erklärte er nicht ohne Emphase, „haben sich dadurch wiederum und von 
neuem ein hohes, ein sehr hohes Verdienst um die Krone und damit auch 
um das Land erworben.“ 
Am nächsten Vormittag war ich mit meiner Frau bei den Majestäten im 
Neuen Palais zum Frühstück geladen. Der Kaiser begrüßte mich, als ob 
er mich am Tage vorher zum letztenmal geschen hätte und zwischen uns 
gar nichts vorgefallen wäre, sprach aber bei Tisch nur über das Aquarium des 
Professors Dohrn in Neapel, das er meiner besonderen Obhut empfahl. Nach 
Tisch ging er mit zwei gleichfalls eingeladenen deutschen Diplomaten, dem 
Botschafter in Japan, Herrn von Mumm, und dem Gesandten in Marokko, 
Dr. Rosen, im Park spazieren, ohne sich weiter mit mir zu beschäftigen. 
Die Kaiserin, die durch dieses seltsame Benehmen in große Verlegen- 
heit versetzt zu sein schien, frug mich mit rührender Liebenswürdig- 
keit, ob ich nicht einige Albums mit ihr ansehen wolle, die wunder- 
hübsche Photographien enthielten. Während wir die Photographien 
betrachteten, sagte sie mir: „Der Kaiser hatte heute morgen so Kopfweh, 
er muß an die Luft.“ In ihrem Verhältnis zum Kaiser lag trotz ihrer 
Gleichaltrigkeit etwas Mütterliches. Als ich mit Rosen und Mumm nach 
Hause fuhr, erzählten mir beide, der Kaiser habe ihnen mit mehr Phantasie
	        
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