Die ostfränkischen (deutschen) Karolinger. 91
einst Brennus nach der Sage die Stadt Rom, gegen schweres Geld
noch jedesmal wieder geräumt hatten, setzten sie sich unter dem Nor-
weger Rolf oder Rollo nach 898 in Rouen fest und brandschatzten halb
Neustrien. Karl der Einfältige wußte zuletzt keinen andern Rath mehr,
als daß er die unbesieglichen Feinde im eigenen Lande ansiedelte und
sie dadurch zu dessen Vertheidigung verpflichtete. Rolf wurde Christ,
welchem Beispiele seine Leute folgten, und erhielt die Normandie als
Herzogthum (das fruchtbare Küstenland an der untern Seine zwischen
der Bretagne und Pikardie, über 500 Geviertmeilen groß), sowie die
Lehensherrlichkeit über die von ihm eroberte Bretagne, die sich jedoch im
11. Jahrhundert wieder frei machte. Er selbst, der in der Taufe den
Namen Robert erhalten hatte, schwur dem König den Vasalleneid und
regierte mit einer Einsicht und Kraft, wie sie den karolingischen Königen
zu wünschen gewesen wäre. Sein Sohn Wilhelm Langschwert (927—943)
war des Vaters würdig und benahm sich als unabhängiger Fürst; dessen
Sohn Richard (943—996) behauptete sich mit Dänenhilfe gegen die
Könige Ludwig IV. und Lothar, und seitdem wurde den Nachkommen
Rolfs ihr Herzogthum von den Königen nicht mehr streitig gemacht.
Die Normannen verwuchsen mit den romanischen Franken (Franzosen.)
ihres Landes bald zu einem Volke, behielten aber ihre kriegerische Kraft
und Eroberungslust; wir werden sie als Eroberer in Unteritalien und
England treffen und die englisch-normannischen Könige nach der Krone
der französischen Kapetinger greifen sehen.
Die ostfränkischen (beutschen) Karolinger (840—911).
Deutsch.
Das Gebiet Ludwigs, des Sohnes von Ludwig dem Frommen, ist oben
(S. 80) bereits angegeben worden; in der offiziellen Sprache der da-
maligen Zeit hieß es Ostfranken (Kegnum Franciae orientalis.,, Lud-
wig selbst demnach der ostfränkische König und erst die spätere Zeit hat
ihm den Beinamen des „Deutschen“ gegeben und sein Reich „Deutschland“
genannt. Im 9. Jahrhundert hieß im fränkischen Reiche die Sprache
aller germanischen Völker die „deutsche“ (sermo theodiscus)); „deutsch“
ist aber eine adjective Bildung von einem Substantive, das gothisch
Thiuda, althochdeutsch Diota, mittelhochdeutsch Diet lautete und Volk
bedeutete, so daß also „deutsch“ (althochdeutsch diutisk, mittelhochdeutsch
diutsch) mit Sprache, Volk ic. verbunden im Gegensatz gegen Romanen
und Slaven das nationale, Allgemeinverständliche, Heimathliche be-
zeichnete; deutsche Völker hießen im ostfränkischen Reiche seit dem
10. Jahrhundert alle Völker, welche die deutsche Sprache redeten (Ale-
mannen, Bayer, Franken, Thüringer, Sachsen, Friesen), zum Unter-