Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

100 Das heilige römische Reich deutscher Nation. 
gezeigt wird; dann brechen die feindlichen Mächte los, sie stürzen sich 
auf die Götter und Helden, alle vernichten einander gegenseitig, und 
Feuer aus Muspelheim verzehrt die Welt; aber nach dem Weltbrande 
läßt der unbekannte Gott, „der Mächtige von oben her“, eine neue 
Sonne und Erde, eine neue, schönere Welt entstehen. 
So weht durch den ganzen Glauben etwas Schauerliches, das den 
Normannen mit einer gewissen Vernichtungslust erfüllen mußte, und 
wenn wir in dem nordischen Glauben manchen hochpoetischen Zug auf- 
finden und uns namentlich die in demselben niedergelegte Erkenntniß über- 
rascht, daß Odin und die Asen eine ewige Weltordnung zu gründen und 
zu erhalten die Macht und Weizheit nicht haben, so müssen wir auch zu- 
gestehen, daß Odins Religion wohl unbezwingliche Krieger aber kein 
eivilisiertes Volk schaffen konnte. In den uns erhaltenen Liedern ihrer 
Sänger (Skalden) werden auch fast ganz ausschließlich nur kriegerische 
Vorzüge gefeiert: Kraft und Gewandtheit in Führung der Waffen, 
todesverachtender Muth, unverbrüchliche Treue gegen den Anführer und 
Kampfgenossen; aber die menschlich-schöne Milde, die uns in Homers 
Gesängen so anzieht und die Blüte der hellenischen Bildung gleichsam 
in der Knospe zeigt, suchen wir in den nordischen Gesängen vergebens. 
Mochten die Normannen einander selbst Wort halten, so fanden sie 
(wie alle Barbaren) in der Wortbrüchigkeit gegen Feinde nichts Arges, 
und achteten sie in der Heimath die Ehre des weiblichen Geschlechtes, 
so zeigten sie sich bei ihren Einfällen in fremde Länder in der Regel 
gegen dasselbe so bestialisch, wie dies von Vandalen, Hunnen und Türken 
berichtet wird. 
Der Normannen Fahrten und Eroberungen. Wickinger. Serkönige. 
In den letzten Zeiten des weströmischen Reiches erschienen ver- 
wegene und grausame sächsische Seeräuber an den gallischen und briti- 
schen Küsten, von den Normannen jedoch ist noch keine Rede; aber um 
die Mitte des 9. Jahrhunderts schwärmen diese in allen Meeren, sind 
die Geißel der Ostseeländer, der norddeutschen, französischen und spani- 
schen Küsten und wagen sich bis Italien, Griechenland und Kleinassen. 
Was trieb sie in solcher Anzahl an nahe und ferne Küsten? Das Bei- 
spiel der Angeln und Jüten, deren Unternehmung gegen Britannien so 
gut gelang, konnte ihre nördlichen Nachbarn nicht anders als zur Nach- 
ahmung ermuntern, und wer weiß, wie viele normannische Abenteurer 
die Angeln begleitet haben? Ebenso ist es uns unbekannt, seit wann sie 
die von Slaven und Finnen bewohnten Küsten und Inseln des bal- 
tischen Meeres heimsuchten, oder wie lange sie ihre Raubzüge haupt- 
sächlich gegen die Finnen (Lappen) richteten, welche noch im 8. Jahrhun- 
dert einen großen Theil des heutigen Schweden und Norwegen inne hatten.
	        
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