148 Das heilige römische Reich deutscher Ration.
Jahre richtete der Papst an den Sieger ein ruhiges und würdiges
Schreiben, in welchem er ihn an seine Verpflichtungen ermahnte und
namentlich verlangte, daß die gefangenen sächsischen und thüringischen
Bischöfe vor ein geistliches Gericht gestellt würden, indem es nicht an-
gehe, daß eine solche Anzahl geistlicher Würdeträger ohne Urtheil von
ihrem Amte ausgeschlossen bliebe. Nun überwallte Heinrichs thörichter
Zorn; er berief die deutschen Bischöfe auf den 24. Januar 1076 nach
Worms, und hier beschuldigte ein alter Feind Gregors, Kardinal Hugo,
denselben der Zauberei und Zuchtlosigkeit; vergebens ermahnten zwei
deutsche Bischöfe, daß man kein Urtheil ohne Untersuchung fälle; es kam
der Beschluß zu Stande, Gregor sei abgesetzt, und dies ließ ihm Hein-
rich durch einen Brief kund thun, der die Aufschrift trug: „Heinrich,
nicht durch Anmaßung, sondern durch Gottes Gnade König, an Hilde-
brand, nicht mehr den Papst, sondern den falschen Mönch.“ Diesem
deutschen Synodalbeschlusse schloß sich eine Versammlung simonistischer
Bischöfe aus Oberitalien an. Bald kam jedoch eine Botschaft von deut-
schen Bischöfen nach Rom, welche gegen jenen Synodalbeschluß protestierten
und erklärten, daß sie nur gezwungen unterschrieben hätten; Gregor aber
verhängte den Bann über Siegfried von Mainz, den Primas der deut-
schen Kirche, und setzte allen Bischöfen eine Frist zur Buße und Umkehr,
über Heinrich aber, den eigentlichen Urheber des Aergernisses, sprach er
feierlich die Erkommunikation aus. Nun ließ Heinrich Gregor durch den
Bischof von Utrecht bannen, aber jetzt erhoben sich seine Feinde wie ein
Mann und bald sah er sich gänzlich verlassen, sogar von solchen Bischöfen,
die seine Kreaturen gewesen. Die Fürsten hielten einen Tag zu Tribur
(16. Oktober 1076), wo sie erklärten, daß sie den Papst auf den
2. Februar 1077 nach Augsburg einladen, und nur, wenn sich Heinrich
daselbst mit Kirche und Reich versöhne, solle er wieder König sein, einst-
weilen aber habe er in Speyer zu bleiben und sich jeder Regierungs-
handlung zu enthalten.
Da faßte Heinrich einen raschen Entschluß: er schlich sich (denn alle
Wege waren ihm verlegt) an den Montcenis und gelangte mit Weib
und Söhnchen, die in Rindshäuten über den Schnee des Gebirges hin-
untergezogen wurden, zu seinem Schwager Amadeus von Susa, der ihn
nicht eher ziehen ließ, als bis er ihm von dem Reichslande in Savopen
ein tüchtiges Stück angewiesen hatte. Gregors Feinde in der Lombardei
jubelten bei Heinrichs Ankunft, denn sie glaubten, er komme kampfbereit,
und Gregor, der auf dem Wege nach Deutschland war, zog sich in das
Schloß Kanossa zurück, das der Markgräfin Mathilde gehörte, welche
sich des Papstes mit männlicher Entschlossenheit angenommen hatte.
Heinrich suchte sein Heil in Unterhandlungen mit dem Papste, in welche
dieser lange nicht eingehen wollte, weil er dessen Treulosigkeit hinläng-