Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

214 Das heilige römische Reich deutscher Nation. 
Bweiundzwanzigstes Kapitel. 
Das Zeitalter der Krenzzüge. 
Mit den Kreuzzügen ist die Hauptepoche des Mittelalters vorbei; 
mit dem Aufgebot aller Kräfte hat die europäische Christenheit während 
desselben nach einem Ziele gestrebt, höher und herrlicher, als seitdem je 
eines den Völkern vorschwebte. Die christlichen Völker des Abendlandes 
waren geeinigt in der Kirche unter ihrem sichtbaren Oberhaupte, den 
Mapste, und dieser sollte nicht bloß über den Glauben wachen, die kirch- 
liche Ordnung aufrecht erhalten und durch Befehl, Warnung und Strafe 
dafür sorgen, daß christliche Sitte und Zucht auch von den Großen be- 
achtet würden, sondern Fürsten und Völker riefen seine Vermittlung oder 
seinen Schutz an, und machten ihn dadurch zum höchsten Tribunal, zum 
Friedensrichter der Christenheit. Neben ihm stand der Kaiser, dem mit 
der Krone das Schutzrecht über die Kirche übertragen wurde; ihn aner- 
kannte die Christenheit als ihren ersten Fürsten, von ihm erwartete sie, 
daß er die Bösen strafe, die Gewaltthätigen niederschlage, die Empörer 
gegen das christliche Gesetz zum Gehorsam zwinge und das Panner dit 
Christenheit emporhalte gegen die Feinde ihres Namens. Der gefähr- 
lichste dieser Feinde war der Islam, denn Todfeindschaft gegen das 
Christenthum war und ist sein erstes Gebot; mit dem Schwerte hatte er 
es in Asien und Afrika vertilgt und bedrohte es von Osten und Westen 
in Europa; da erhob sich das christliche Europa wie ein Mann und bestand 
einen Kampf, der hinsichtlich seiner Dauer und Streiterzahl seines Gleichen 
noch nie hatte. Doch triumphierte das Kreuz nicht vollständig über den 
Halbmond; der Entscheidungskampf wurde vielmehr den Nachkommen 
als ein Erbtheil binterlassen. 
Durch Papst und Kaiser eine feste Ordnung der christlichen Staaten 
zu begründen gelang auch nicht; denn die beiden Mächtigen entzweiten 
sich, der Kaiser unterlag mit seinen Ansprüchen, seine Nachfolger erbten 
wohl seinen Namen, aber wenig von seiner Macht, und das Papstthum 
mußte so gewaltige Anstrengungen machen und zu so gefährlichen Mit- 
teln greifen, daß es obwohl siegreich, doch geschwächt aus dem grohen 
Kampfe hervorging und die Stellung nicht mehr bebaupten konnte, 
welche ihm seine großartige Wirksamkeit bei dem Aufbau des germa- 
nisch-christlichen Staatensystems angewiesen hatte. Doch trug Europas 
Ringen nach höherer Einigung seines Völkerlebens, sein Heldenkampf 
mit dem Islam reichen Lohn; erreichte es auch das angestrebte Zeel 
nicht, so brachte die Entfaltung aller besseren Kräfte so manches andere 
Treffliche, das man früher nicht geahnt hatte. Ein allgemeiner Auf 
schwung hob Nationen und einzelne Stände, ein vorher nicht gekannter
	        
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