Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

228 Das heilige römische Reich deutscher Nation. 
wirklich zum voraus unabänderlich bestimmt, dann hörten wir auf, freie 
Menschen zu sein, unser Thun und Lassen hätte keine sittliche oder über- 
haupt keine höhere Bedeutung, wir würden gleich jedem andern Natur- 
ding nach unwandelbaren Naturgesetzen handeln und leiden, und dann 
wäre es allerdings erlaubt, in den Sternen nach dem menschlichen Schick- 
sale zu forschen. Denn ihr Einfluß (am augenfälligsten der Sonne und 
des Mondes; sollten aber die andern Gestirne nicht auch auf die Erde 
wirken 7) läßt Pflanzen und Thiere gedeihen oder zerstört dieselben; sie 
schaffen auch für den Menschen gesunde Zeiten oder Seuchen und mancher- 
lei Krankheit; kann der Mensch nichts frei thun, so ist all sein Thun 
eben durch die Außenwelt bestimmt, die ihrerseits von einem hHoöchsten 
Willen regiert wird, daher konnte der moslem'sche Gelehrte an den 
Zifferblatte des Sternenhimmels lesen wollen, welches Stündlein für des 
Menschen, den einzelnen oder alle, schlagen werde. 
Mit dem Fatalismus warf Mohammed den Todesschatten des alten 
Heidenthums abermals über die Völker, indem er dem Menschen mit 
der Freiheit des Willens das Streben nach Vollkommenheit, das Ringen, 
durch die Wahrheit frei zu werden, raubt und verbietet, wie er auf der 
andern Seite durch die Erlaubniß der Vielweiberei, durch die Degra- 
dierung des weiblichen Geschlechts und sein Haremparadies dem hedrd- 
nischen Laster Thür und Thor öffnet, den Adel der Familie und dadurch 
die höhere Entwicklung des Volkslebens vernichtet. 
Betrachten wir diesen Gegensatz der christlichen und mosleminischen 
Welt, so müssen wir uns einerseits verwundern über die Wißbegierde 
unserer Vorfahren, die auch auf mohammedanischem Boden ärnteten, 
als sie unter Unkraut und Giftpflanzen Aehren erblickten, andererseits 
aber darf es uns keineswegs befremden, wenn wir hören, daß besonders 
die alten Physiker, zunächst die Schüler der Araber, bei dem Volke der 
Zauberei verdächtig wurden. 
Von dem kabbalistischen Treiben der Juden wie von dem alchemisti- 
schen und astrologischen der „Heiden“ war eine dunkle Kunde auch unter 
das Volk gedrungen; den Weizen des jüdisch-arabischen Wissens von der 
Spreu zu sondern, dazu waren auch nicht alle christlichen Gelehrten be- 
fähigt oder geneigt. Die Alchemisten und Astrologen spielten besonders 
seit dem spätern Mittelalter und bis ins 17. und „philosophische“ 18. 
Jahrhundert herauf wirklich bedeutende Rollen (man denke nur an 
Wallensteins Hofastrologen, an Böttger, den Erfinder des Vorzellaus, 
an den Abenteurer Kagliostro!). 
Christliche Physiker. 
Unter den christlichen Physikern waren Abt Gerbert (der Erzieher 
Kaisers Otto III., später als Splvester II. Papst 999—1003, auch um
	        
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