Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

Die Wissenschaft. 231 
bezeichnet, auf den Tritheismus (Dreigötterei) gerathen und 1092 von 
einer Spnode zu Soissons zum Widerrufe gezwungen worden, so ent- 
brannte der Kampf zwischen Nominalisten und Realisten (Thomisten, 
Skotisten) um so heftiger, weil die nach Abälards Vorgang nach einer 
Vermittlung der Gegensätze Strebenden auf neue Abwege geriethen. 
Durch Okkam (gest. zwischen 1343—1350) siegte zuletzt der Nominalis= 
mus, aber Okkam und seine Schule versetzten durch ihre sensualistische 
Erkenntnißtheorie nicht nur den Allgemeinbegriffen, sondern überhaupt 
der mittelalterlichen Scholastik einen tödtlichen Stoß. Die Okkamisten 
bekümmerten sich wenig mehr um die göttliche Offenbarung, ihre Gegner 
noch weniger darum, daß der Offenbarungsglaube mit der fortschreiten- 
den Wissenschaft fortwährend weiter vermittelt werde. Jetzt erst trennte 
sich von der lebendigen Wissenschaft mehr und mehr die scholastische 
Theologie als ein verknöchertes Syvstem, an die Stelle genialer Theo- 
logen traten dialektische Künstler und breite, langweilige Kommentatoren. 
Früher hatte sich die Mystik von der Scholastik zumeist nur durch 
ihre vorherrschend praktische Richtung unterschieden. Ihr vornehmstes 
Interesse war, das christliche Bewußtsein für sich und andere zur Quelle 
des Lebens in Gott zu machen, die Wissenschaft sollte Mittel für diesen 
Zweck sein, seit dem 14. Jahrhundert aber wandten sich die Mystiker 
(Meister Eckhard, Suso, Tauler, Gerhard u. a.) begreiflicherweise von 
der scholastischen Theologie ab und geriethen gleichfalls auf Abwege und 
Einseitigkeiten. Häretische Anschauungen und Bestrebungen endlich hatten 
das ganze Mittelalter hindurch niemals aufgehört (Gottschalk, Amalrich 
von Bena, David von Dinanto, Katharer, Albigenser und Waldenser), 
gleichfalls seit dem 14. Jahrhundert erlangten diese auch Bedeutung in 
weiteren Kreisen; das Wehen einer neuen Zeit, des Zeitalters der Re- 
formation, wurde stärker und stärker (Wiklef, Huß). 
Die theologischen Schulen. Universttäten. 
Die Hauptvertreter der mittelalterlichen Wissenschaft blieben die 
Mönche; unter den neu entstehenden Mönchsorden zeichnen sich vor allen 
die Dominikaner und Franziskaner durch ihre wissenschaftlichen Leistungen 
aus, über alle Dom= und Klosterschulen erhoben sich aber die Hoch- 
schulen, Universitäten. Die berühmteste tbeologische Schule war zu Paris; 
alle großen Theologen haben dort studiert, meistens auch gelehrt. Um 
berühmte Lehrer sammelten sich viele Schüler (Paris soll manchmal 
20,000 Studenten gezählt haben), nicht bloß Jünglinge, sondern der 
Mebrzahl nach Männer, und dies machte es nothwendig, daß eine be- 
stimmte gesetzliche Verfassung für die Schüler eingeführt wurde. Der 
Geist jener Zeit schuf immer selbst; die Studierenden bildeten daher eine 
Genossenschaft und hatten ihre Unterabtheilungen in den sogenannten
	        
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