Juden= und Ketzerversolgungen. 235
Grade; die untere Klasse, die Glaubenden, durften mancherlei mit größter
Freiheit thun, wenn sie die convenensa ablegten, das Versprechen, sich
später in die höhere Klasse aufnehmen zu lassen. Diese Aufnahme ge-
schah durch eine Ceremonie, die consolamentum, Tröstung, genannt
wurde; von dieser Zeit an mußten sie sich strenger Enthaltsamkeit be-
sleißigen. Einige unterzogen sich der endura, d. h. nahmen keine Speise
mehr zu sich, um so schnell als möglich „ein gutes Ende zu machen“.
Diese Ketzerei hatte große Verbreitung und fand bei vielen Adeligen,
besonders auch bei dem Grafen von Toulouse, Unterstützung.
Zuerst schickte Papst Innocenz III. einen Legaten zu den Albigensern,
um sie zu bekehren; die Cistercienser unterzogen sich demselben Geschäfte,
ebenso der fromme Bischof Diego von Osma und sein Priester Domini-
kus, der später den von ihm benannten Orden stiftete. Dies fruchtete
alles nichts, und 1208 wurde der päßfstliche Legat erschlagen. Nun
ordnete der Papst in Uebereinstimmung mit König Ludwig VIII. von
Frankreich einen Feldzug gegen die Häretiker an; Simon von Montfort,
ein ausgezeichneter Krieger, führte das Kreuzheer und erstürmte Städte
und Schlösser. König Peter von Aragonien, der nicht zugeben wollte,
daß die Grafschaft Toulouse, die mit der Zeit auf sein Haus erben
konnte, in fremde Hände gerieth, kam dem Grafen Raymund zu Hilfe,
verlor aber Schlacht und Leben gegen Montfort. Dieser verfolgte wie
der König von Frankresch den Plan, die Grafschaft wenigstens theilweise
für sich zu erobern, und daher wollten sie auf den Papst nicht hören,
der den Grafen bei seinem Besitze schützen wollte, als er überzeugende
Beweise von seiner Rückkehr zur Kirche gegeben hatte. Der Krieg dauerte
bis 1227 und war in seiner letzten Periode kein Glaubenskrieg mehr,
sondern ein Eroberungskrieg. Mit Mühe rettete der Papst dem Grafen
einen Theil seines Besitzes; Simons Sohn, Amalrich von Montfort, der
die Eroberungen seines Vaters geerbt hatte, schenkte dieselben an den
französischen König.
Nach dem Kriege ordnete der Papst für jene Gegenden (bald auch
für andere, wo sich Häresieen zeigten) ein Inquisitionsgericht an, d. p.
der Papst verordnete, daß jeder Bischof seine Diöcese ein= oder zweimal
im Jahre bereise und in jeder Pfarrei zuverlässige Männer auswähle,
die von zwei zu zwei Jahren eidlich verpflichtet wurden, den Ketzern
nachzuspüren und dem Bischofe von thren Wahrnehmungen Bericht zu
erstatten. Zu diesem Zwecke sandte der Papst auch eigene Legaten, welche
die gleiche Gerichtsbarkeit wie die Bischöfe ausüben sollten. Mit dieser
Inquisition wurden zuerst die Cisterciensermönche und bald darauf die
Dominikaner betraut; auf glaubwürdige Anzeige hin hatte das Gericht
der Thatsache nachzuforschen, Anklage und Vertheidigung zu hören und
das Urtheil nach dem aktenmäßigen Erfunde zu fällen.