236 Das heilige römische Reich deutscher Nation.
Aufhebung der Shlaverei. Aufhebung oder Milderung der (eibeigenschaft.
Daß die Sklaverei heidnischen Ursprungs ist, bat die Kirche von
jeher ausgesprochen; weil die Sklaverei aber durch die Staatsgesetze zu
Rechte bestand, so durfte die Kirche nicht durch ein Verbot gegen die
Sklaverei einschreiten, sondern sie mußte darauf hinwirken, daß die
Sklavenbesitzer in den Sklaven nach der Ermahnung des Apostels Bru-
der in Christo erkannten, und daß die Sklaven wegen der christlichen
Gleichheit mit ihren Herren nicht übermüthig wurden, sondern zur Ehre
Gottes nur treuer und eifriger dienten. Dadurch wurde die Härte
der Sklaverei gemildert, die Freilassung der Sklaven von frommen
Herren und Frauen als ein Werk der christlichen Barmherzigkeit be-
trachtet und geübt und es den christlichen römischen Kaisern nahe gelegt,
die alten Gesetze in Betreff der Sklaven im christlichen Geiste zu ändern.
Dies geschah auch von Konstantin I. bis Justinian I., doch wurde die
Aufhebung der Sklaverci niemals gesetzlich ausgesprochen, so lange das
altrömische Reich bestand.
Auch bei den germanischen Völkern bestand die unterste Volksklasse
aus Sklaven, die Kirche mußte daher nach der Bekehrung der Germanen
den Kampf gegen die Sklaverei aufnehmen. Besonders thätig waren
in dieser Richtung die Mönche, und zu Anfang des 9. Jahrhunderts
war bereits der Grundsatz durchgedrungen, daß kein Kloster auf seinen
Gütern Sklaven halten dürfe. Durch Konecilienbeschlüsse wurde den
Bischöfen gestattet, die Sklaven auf den Kirchengütern ohne Beistimmung
des Klerus freizulassen. Ebenso wurden von Päpsten, Bischöfen und
Priestern Sklaven gekauft und dann freigelassen. Da die Bischöfe neben
den weltlichen Großen auf den Reichstagen bei der Gesetzgebung mit-
wirkten, so setzten sie Bestimmungen durch, welche der Sklaverei immer
engere Gränzen zogen. So wurde z. B. 650 festgesetzt, daß in Zukunft
kein christlicher Sklave aus dem fränkischen Reiche hinaus verkauft wer-
den dürfe, andere Gesetze verboten den Verkauf von christlichen Sklaven
an Heiden, Mohammedaner und Juden, Karl der Große verbot den
Verkauf eines Sklaven außer der Mark und jeden heimlichen Verkauf.
Dessenungeachtet hörte der Sklavenhandel, welcher größtentheils in den
Händen der Juden und Venetianer war, noch nicht ganz auf und nahm
während der Kriege der Deutschen gegen die Slaven sogar einen neuen
Ausschwung. Doch war dies nur vorübergehend und die erneuerte An-
strengung der Kirche hatte es zu Anfang des 11. Jahrhunderts bereits
durchgesetzt, daß innerhalb des fränkischen Reiches kein Sklave mehr ge-
kauft oder verkauft wurde, wogegen bei den heidnischen und moham-
medanischen Völkern die Sklaverei und der Sklavenhandel heute noch
wie vor 1000 Jahren besteht.