Das Geschütz und die stehenden Heere. 357
Kriegerkaste ausgebildet, so mußte er nun seine festen Häuser aufgeben
und sich an die Kriegermasse anschließen, welche aus dem niedersten
Stande, dem Bauernstande, hervorging; der Adel, früher das Heer,
ward zum Offzzierkorps.
Das Schießpulver wurde nach der Sage von einem deutschen Mönche,
Berthold Schwarz, in Freiburg erfunden. Er stampfte einmal Schwefel,
Salpeter und Kohlen in einem Mörser, heißt es, und deckte den Mörser
zu; zufällig fand doch ein Feuerfunke den Weg zu jener Mischung, diese
entzündete sich und warf den Deckel mit großer Gewalt in die Höhe;
Schwarz habe nun noch mehrere Versuche angestellt, fährt die Sage
fort, und endlich durch eine Explosion das Leben eingebüßt. Chinesen
und Araber kannten und brauchten das Schießpulver jedenfalls viel
früher als das abendländische Europa. Zuerst wandte man das Pulver
in den deutschen Bergwerken zum Sprengen des Gesteins an, man.
brauchte es zur Ueberwältigung der harten, starren Massen, gegen
welche die Kraft des menschlichen Armes gar wenig vermag, und wie viele
Siege verdanken wir nicht diesem Bundesgenossen, welchen der freibur-
gische Mönch der Volkssage fast wie durch Zauber dem Menschen dienst-
bar machte! Aber bald brauchte man das Pulver auch gegen die Werke
des Menschen und gegen ihn selbst; wie man Felsen sprengte, so
brauchte man den schwarzen Staub auch um die Mauern belagerter
Städte und Burgen auseinander zu reißen.
Wer es zuerst in Röhren schloß, um Kugeln aus denselben zu
treiben, ist ungewiß, doch verpflichteten sich die Augsburger schon im
Kriege der schwäbischen Städte 30 Büchsenschützen zu stellen. In den
Hussitenkriegen kommt die Büchse schon sehr häufig vor und zur Zeit
der italienischen Kriege bilden die Büchsenschützen einen regelmäßigen,
wenn auch noch kleinen Bestandtheil der Heere. Die schwere Büchse
mußte aufgelegt werden, daher trug der Schütze immer eine Gabel mit
sich, die er in den Boden steckte, wenn er von seiner Waffe Gebrauch
machen wollte. Sie wurde mit der Lunte abgebrannt und war müh-
sam zu laden, der Schuß konnte wohl nicht sehr sicher sein, trug aber
sehr weit.
Die größeren Feuerrohre (auch Büchsen, später Karrenbüchsen, Ka-
nonen genannt) wurden schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts
wiewohl selten gegen die Stadtmauern angewandt; sie waren aus der-
ben eisernen Ringen zusammengeschmiedet, sehr schwer und mühsam fort-
zuschaffen. Anfangs hatten sie kein eigenes Gestell und mußten auf
besonderen Wagen fortgeschafft werden. Wollte man sie nun gebrauchen, so
wurden sie abgeladen, auf einen Erdaufwurf gehörig gebettet, gerichtet
und losgebrannt. Vielleicht war es zu Nürnberg, wo zuerst Kanonen
aus Eisen oder Glockengut gegossen wurden, wenigstens hatte Nürnberg