Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

Gerichte. 27 
Das Gericht für die Freien war das Gaugericht oder vielmehr 
(scheint es) das Centgericht. Dasselbe fand unter freiem Himmel statt, 
auf einem Platze (Mahal-, Mahlstätte, mallus pablicus), der gewöhn- 
lich mit Linden (dem eigentlichen deutschen Baume) besetzt war. Das 
Gericht war entweder das ordentliche (ächtes Ding, placilum legiti- 
mum), das zu bestimmten Zeiten des Jahres auf der Mahlstätte ge- 
halten wurde, und wobel alle Freien des Bezirks zu erscheinen hatten, 
oder ein außerordentliches (gebotenes), das in besonderen Fällen zu- 
sammengerufen wurde, bei welchem, wenigstens in späterer Zeit, nur 
die Parteien zu erscheinen hatten. Unter dem Schutze des Königs entbot 
der von ihm bestellte Graf vor das Gericht (er hatte den Bann; 
dies Wort bezeichnet daher später so viel als Gerichtsbezirk, dann 
Strafe, Geldbuße, Acht) und sorgte für die Ausführung des Urtheils. 
Der Graf oder sein Vertreter (missus) führte bei dem Gerichte den 
Vorsitz, das Urtheil fand oder sprach aber nicht er selbst, sondern bei 
einigen Stämmen (Alemannen und Bayer) ein von dem Herzog mit 
Uebereinstimmung der Freien bestellter Richter (judenr), der ohne 
Zweifel sich mit kundigen Männern vor dem Ausspruche berieth, bei 
andern (Franken, Burgundern) ein Ausschuß freier Männer (Rachin- 
burgen, deputati; die fränkischen Sagibaronen scheinen rechtskundige 
Männer gewesen zu sein, welche von den Urtheilöfindern zu Rathe 
gezogen wurden). 
Allgemeiner Grundsatz in Kriminalfällen war: wo kein Kläger ist, 
da ist kein Richter; weigerte sich aber ein Verklagter vor Gericht zu 
erscheinen, so kam er in die Acht, er wurde rechtlos oder vogelfrei, 
seine Güter aber verfielen dem König. Den Beweis führte man durch 
Urkunden (selten), durch Zeugen, durch Eid und Eideshelfer, d. h. durch 
solche Männer, welche zu dem Eide des Schwörenden hin noch ihrerseits 
die Wahrhaftigkeit des Schwörenden beschworen; die Zahl der Eides- 
helfer konnte sich nach der Wichtigkeit der Sache von 1— 80 steigern 
(bei den Alemannen). 
Ein besonderes Beweismittel waren in späterer Zeit die Ordalien 
(Gottesurtheile); sie bestanden im Eintauchen der Hand in einen Kessel 
siedenden Wassers (Kesselfang), Durchgang zwischen zwei brennenden 
Holzstößen (Feuerprobe), Hinweggehen über glühende Pflugscharen u. dgl., 
wobei man glaubte, Gott werde sich des Unschuldigen dadurch annehmen, 
daß er ihn unversehrt erhalte. Das gewöhnlichste Gottesurtheil war 
der Zweikampf, ursprünglich nichts anderes, als das altgermanische Recht 
der Freien, sich selbst zu helfen, sich selbst zu vertheidigen und zu rächen 
(Fehderecht). Handelte es sich z. B. um ein Stück der Feldmarkung 
und konnte kein Theil sein Recht durch die üblichen Mittel beweisen, so 
blieb in jener Zeit nichts übrig, als daß das Gericht die beiden Parteien
	        
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