Gerichte. 29
Rechte verhelfen konnte, und zwar in Civil- wie auch in Kriminal-
fällen.
Die Sühne (compositio) hieß Wehrgeld (von Wer, der Mann)
und war verschieden je nach dem Stande des Erschlagenen oder Verletzten,
nach dem Grade der Verletzung, nach den Umständen, unter welchen die
Gewaltthat begangen wurde 2c.z Überdies entrichtete der Attentäter dem
Könige für den Bruch des gemeinen Friedens ein Strafgeld (frecum).
Das alemannische Gesetz bestimmt das Wehrgeld z. B. für das
Leben eines Edeln auf 240 Schillinge, eines Mittelfreien auf 200, eines
gemeinen Freien auf 160, eines Freigelassenen auf 80, eines Leibeigenen
auf 15—50 Schillinge. Schläge und Verwundungen, je nach ihrer
Schwere und dem Stande des Verletzten, wurden mit 1—40 Schillingen
gebüßt; daß für Abschneiden der Augenlider, Ausschlagen der Augen,
Nase-, Ohren= und Zungenabschneiden und für verschiedene Methoden bei
diesen verbrecherischen Operationen besondere Bußgelder festgesetzt sind,
beweist die Rohheit des Zeitalters. Entsprechende Geldstrafen sind auch
sestgesetzt für das Ausgraben einer Leiche (geschah hauptsächlich zum Zwecke
der Zauberei), Menschenraub und Menschenverkauf (den Sklavenhandel
betrieben vorzüglich die Juden), Entführung, Raub, Diebstahl, Be-
schädigung der Thiere, Brandstiftung, bewaffnetes und gewaltthätiges Ein-
treten in den Hof oder in das Haus u. s. w.; der aus der Schlacht Entflohene
mußte 160 Schillinge an den Nebenmann bezahlen, welcher fortkämpfte.
Um die Höhe dieser Strafen gehörig anschlagen zu können, be-
merken wir, daß in der alemannischen Zeit die gewöhnliche Münze der
Denar oder die Saiga war, deren 1 den innern Werth von 7 Kreuzern
rheinisch oder 2 preuß. Groschen hatte und 12 auf den Silberschilling
(eine Rechnungsmünze) gingen; damals kostete ein Leithund 12 Schil-
linge, ein Schafhund 3, ein Pferd 6, ein Ochse 3 und mehr, eine Kuh
1 Schilling, ein Schwein 4 Denare. Der Geldwerth war also über
30mal höher als gegenwärtig, oder es waren im gleichen Verhältnisse
weniger edle Metalle als jetzt im Umlauf; die Strafen waren demgemäß
boch genug (bei reicheren Völkern, als die Alemannen waren, sind sie
höher angesetzt), um einen gewaltthätigen Menschen schnell in Armuth
oder Leibeigenschaft zu bringen.
Die Todesstrafe (durch Enthauptung) kommt nur in wenigen Fällen
vor, z. B. für Landesverrath, wiederholte Empörung, bei den romani-
sierten Burgundern und Westgothen auch für gewöhnliche Verbrechen
gegen Leben und Eigenthum, doch war es erst der spätern Zeit vorbe-
halten, aus Italien und Byzanz die grausamen Strafen im Abendlande
einzuführen, welche das schon sieche Römerthum aus dem despotischen
Asien herübergenommen hatte, und denselben die Folter beizugeben. Das
Wehrgeld für Leibeigene und Schutzhörige bezog der Herr.