Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

32 Das Christenthum unter den Germanen und Slaven. 
Throne folgten, konnten die Verkünder des Christenglaubens, so weit 
der Frankenkönig gebot, unter den wilden Stämmen umherwandern und 
an deren Bekehrung arbeiten. Besonders verdient machten sich die Eng- 
länder, Schotten und vor allen die Iren. Irland war von den remischen 
Eroberern nie betreten worden, auch die Fluthen der Völkerwanderung 
ließen die Insel verschont, und so wurde Irland, wo der heilige Patri- 
cius schon in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts das Christen- 
thum verbreitet hatte, ein wahres christliches Asyl in den jammervollen 
Zeiten. Hier hatte sich unter anderem in Bangor eine Anzahl religiöser 
Männer zusammengefunden, wohl 3000, die in christlicher Verbrüderung 
lebten, in Gebet und Arbeit. Von da wanderten viele in andere Län- 
der, namentlich nach England, wo sie ähnliche Vereine (z. B. ein zweites 
Bangor) gründeten; sie bekehrten die stammverwandten Schotten, deren 
christliches Nationalheiligthum das Kloster auf der Insel Jona, jetzt 
Ikolmkill, einer der Hebriden, wurde, und aus allen gingen Boten des 
Evangeliums in ferne Gegenden, die meisten nach Deutschland, wo sie 
am nothwendigsten waren. Besonders berühmt geworden sind: Winfrich, 
später Bonifacius d. h. Wohlthäter genannt, der Apostel von Hessen, 
Thüringen, Bayern und Friesland; Willebrord, Willibald, Wunibald, 
Wendelin, Kolumban, Fridolin, Pirmin, Heimeran, Rupert, Gall, Mang, 
Sigisbert u. s. w.; fast jeder Gau Deutschlands bewahrt und feiert das 
Andenken seines Wohlthäters, der vor mehr als 1000 Jahren aus fernem 
Lande als Glaubensbote in die Wildniß eindrang. (Damals wurden 
auch die Iren Schotten genannt; Namen wie Schottenkloster, Schotten- 
kirche, Schottenfeld, Schottenhof 2c. erinnern daher noch jetzt an die 
irischen Missionäre.) Alle diese Männer waren treue Söhne der Kirche 
und führten die Neubekehrten in ihren Schoß; anderseits unterstützte sie 
der Papst mit seinem ganzen Ansehen und allen ihm zu Gebote stehenden 
Mitteln. 
Große Wissenschaft besaßen diese Boten des Evangeliums nicht, 
dagegen Glaubensstärke und Glaubensmuth, und Begeisterung für die 
Ausbreitung des Christenthums, die Verherrlichung des göttlichen Namens. 
Sie kamen in die heidnischen und halbheidnischen Gaue wie Pilgrime, 
angethan mit grobem Gewande, barfuß, oft selbst im Winter, wie St. 
Severin, den Stab in der Hand. Ihr Trunk war Wasser, ihre Speise 
wenig und gering, Geld hatten sie keines und nahmen keines. In solcher 
Gestalt, als Bilder der Armuth und Enthaltsamkeit, traten sie vor die 
habgierigen Halbwilden, vor die Herren und Leibeigenen. Dadurch 
wurden sie für diese zu wunderbaren Erscheinungen, wie sie solche noch 
nie gesehen hatten, und weil sie nichts von ihnen wollten, erwarben sie 
ihr Zutrauen; darum wurden sie auch williger angehört, wenn sie von 
dem Reiche Christi predigten. Sie erzählten denselben von unsern
	        
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