Slaven. Awaren und Chazaren. Das oströmische Kaiserthum. 41
Ural her über den Don an die Donau rückte und dort die Bulgaren
unterwarf, wahrscheinlich ein türkisch-slavisches Volk, das vor den Awaren
von der Kama an den Pontus und die untere Donau gezogen war.
Die Awaren dehnten ihre Herrschaft und Raubzüge bis an die Enns,
über Böhmen und Mähren aus und wurden der Schrecken der umliegen-
den Völker.
Ostwärts von ihnen, vom Dniestr bis zur Wolga, gründeten die
Chazaren ihr Reich, ein Volk, das man für ein den Alanen verwandtes
indogermanisches hält, welches aber mit türkischen Stämmen stark gemischt
war. In ihm verschwinden auch die Hunnen, welche nach Attilas Tod
in die Steppen am Pontus zurückgedrängt waren. Der Herrschaft der
Chazaren waren auch die Ungarn (Ugri, Hunugaren) unterworfen,
welche sich selbst von dem östlichen ihrer Stämme Maghyaren nennen;
sie wohnten gegen Ende des 7. Jahrhunderts am untern Don und Dniepr.
Wie drohende Wolken lagerten am südlichen Ural und an der Ost-
küste des kaspischen Meeres die wandernden westtürkischen Stämme der
Petschenegen und Kumanen, die wir später ebenfalls an der Donau,
deren Thal den Heerweg der wandernden Völker bildete, ankommen
sehen werden.
Das oströmische Kaiserthum oder das griechisch-byzantinische Reich (408—642).
Militärdespotie. Polltische und kirchliche Faktionen. Bedeutung
Konstantinopels.
Die Geschichte dieses Reiches bietet fast durchgehends nur Unerquick-
liches dar; der orientalische Despotismus mit seiner Pracht und Ver-
derbtheit erhält sich unverändert fort und verzehrt die Kraft des Reichs.
Leibwache und Heer treiben das gleiche Spiel mit dem Kaiser und den
Reichsländern, wie einst die römischen Prätorianer und Legionen. Das
Volk in Konstantinopel schreit nach Brot und Spielen, wie ehemals der
römische Pöbel, und sammelt sich im Hippodrom, wie jener im Cirkus
oder in dem Amphitheater des Vespasian. Es tbeilt sich in die Blauen
und Grünen (nach den Farben der Wagenlenker im Hippodrom so ge-
nannt), und diese Parteien würden einander mit Wuth zerfleischen,
wenn die kaiserlichen Soldaten nicht einschritten und mit den Waffen
Ruhe schafften.
Auch auf dem Gebiete der Kirche begegnen uns unaufhörliche
Streitigkeiten; namentlich über die göttliche und menschliche Natur in
Christo, die Natur seines Willens (Monophysiten und Monotheleten);
die kirchliche Autorität ließ keine der aufgeworfenen Streitfragen schweben,
aber sie gelangte nicht zu der gebührenden Wirksamkeit, weil sich der
Kaiser mit dem Hofe und dann die Parteien im Volke einmischten, wo-