Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

Bedeutung des Kirchenstaates. 65 
Hedeutung des Kirchenstaates. 
Eine solche Stellung war für den päpstlichen Stuhl unumgänglich 
nothwendig, wenn er seine Freiheit und Würde behaupten sollte. Der 
Papst konnte nicht Unterthan eines longobardischen Königs oder irgend 
eines andern Fürsten sein, denn dadurch hätte er in den Augen anderer 
Fürsten und Völker als Werkzeug seines Oberherrn erscheinen müssen, 
selbst wenn er es nicht entfernt gewesen wäre; für den Herrn Roms 
wäre die Versuchung, einen Papft nach seinem Sinne auf den hl. Stuhl 
zu setzen, fast zu groß gewesen, als daß er ihr widerstanden hätte, um 
so weniger, wenn dieser Herr ein Feind der Kirche gewesen wäre, denn 
die Feinde der Kirche haben sich von jeher am meisten in die Angelegen- 
heiten der Kirche eingemischt. Der Besitz des Kirchenstaats gab und 
gibt dem Papste die einzig mögliche würdige Stellung in den Weltver- 
bältnissen. 
Ein mächtiger Monarch ist er durch den Kirchenstaat nicht geworden, 
denn der Kirchenstaat ist zu klein, als daß der Papst dem Heereszuge 
eines der Mächtigen dieser Welt zu widerstehen vermöchte; in diesem 
Falle muß ihm die Christenheit helfen, wie sie es bisher auch noch immer 
gethan hat. Der Kirchenstaat machte den Papst auch nicht zu einem 
reichen Fürsten, denn der Ertrag des Kirchenstaats hat noch niemals die 
Kosten gedeckt, welche dem Papfste die geistliche Oberregierung der katho- 
lischen Welt verursacht; auch in dieser Hinsicht ist demnach der Papst 
an den Beistand der katholischen Völker gewiesen. In welche Gefahr 
der päpstliche Stuhl durch die Unterwerfung Roms unter einen weltlichen 
Herrn gekommen wäre, mag das Beispiel des Patriarchen in Konstanti- 
nopel lehren; dieser wurde von dem kaiserlichen Hofe abhängig, bald 
sein Werkzeug, bald stin Opfer, bald mit bald ohne seinen Willen in 
die Thronstreitigkeiten und andere politische Kämpfe verwickelt, so daß 
die Kirche des Morgenlandes (noch vor ihrer Auflehnung gegen den 
Papst und die Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche, und diese 
Auflehnung war tdbeilweise selbst eine Folge ihrer Unfreiheit) in keiner 
Beziehung die wohlthätige Wirksamkeit der römisch-katholischen entfaltete, 
weder zur Veredlung der morgenländischen Cbristenheit, noch in der 
Bekehrung ungläubiger Völker, und sich auch heutzutage nicht neben jene 
binstellen kann. Der Papst und der Frankenkönig thaten, indem der 
eine gab und der andere annahm, was die damalige Weltlage gebot, und 
sie bewiesen dadurch die wahre politische Weisheit, die ihnen nur Feinde 
oder Thoren zum Vorwurfe machen können. Sie unterstützten sich wech- 
selseitig, was der Christenheit unendlich mehr frommte, als wenn sse 
mit einander wegen der Herrschaft über einen Landstrich Italiens ge- 
hadert hätten. Pipin zeigte durch seine Handlungsweise, daß er einen 
Bumüller, Mittelalter. 5
	        
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