Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

Karl nimmt den Kaisertitel an. Karl als Regent. 73 
beiligen Grabes überbrachte. Als er an Weihnachten im Jahre 800 
nach Christus am Altare in der Peterskirche betete, setzte ihm Papst 
Leo III. die Kaiserkrone auf das Haupt, und das Volk rief: „Sieg 
und Leben dem erhabenen Karl, dem von Gott gekrönten großen und 
friedebringenden Kaiser der Römer!“ So ist in Rom wieder ein Kaiser, 
aber es ist kein Römer, sondern ein Deutscher und das neue römische 
Reich ist das „Reich deutscher Nation“. Karl hatte alle Stämme deut- 
scher Zunge zu einem Reiche unter einem Oberhaupte vereinigt, und 
dadurch bewirkte er, daß die deutschen Stämme allmählig das durch das 
Werk des hl. Bonifacius erweckte Bewußtsein der Nationalität entwickelten; 
hätte Karl die Deutschen nicht zusammengeführt, so hätten sie freiwillig 
sich niemals zu einem Reiche vereinigt. 
Das deutsche römische Reich wird „das heilige“ genannt, denn es 
war ein christliches, der Kaiser der Beschützer der Christenheit gegen die 
Ungläubigen, der Kirche gegen Gewaltthat und Beeinträchtigung; er 
verschaffte den Geboten der Kirche Achtung und war zum Wäschter der 
christlichen Ordnung bestimmt. Deßwegen salbte ihn das geistliche Ober- 
haupt des Christenthums und gab seiner Würde die kirchliche Weihe. 
Er hatte den Vorrang vor den Fürsten anderer christlichen Völker und 
war dazu berufen, in ihren Streiten als Schiedsrichter zu vermitteln, 
damit der Friede unter den Christen erhalten werde und ihre Waffen sich 
gegen den gemeinschaftlichen Feind, gegen die Ungläubigen, richten. 
So sollte die geistliche und weltliche Macht zusammenwirken, damit die 
Christenheit in Friede und Eintracht lebend gleichsam nur Einen Staat, 
die res publica christiana, bilde. Diese Verbindung des Staates und 
der Kirche war das politische Jdeal des Mittelalters und gab dem Kaiser- 
thum einen theokratischen Charakter. 
Aber die Idee des Verhältnisses von Kaiser und Papst zu einander 
ist noch nicht klar ausgebildet. Der Papst wird nicht ohne Zustimmung 
des Kaisers eingesetzt; andererseits war die kaiserliche Würde im Hause 
Karls erblich, jedoch war die Krönung durch den Papst nothwendig, 
damit ein Kaiser als rechtmäßiger Nachfolger Karls des Großen aner- 
kannt wurde. Rom und der Kirchenstaat gebörten zum römischen Reiche 
und standen insofern unter dem Kaiser als Souverän, aber der Papst 
war Herr in Rom und dem Kirchenstaate und dem Kaiser zu keinem 
Dienste verpflichtet. 
Karl als Negent. 
Die Reichsreglierung. 
Karl war Selbstherrscher in vollem Sinne des Wortes, denn alle 
Gesetze und Verordnungen wurden nicht bloß in seinem Namen erlassen,
	        
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