84 Das heilige römische Reich deutscher Nation.
und endlose Kriege werden entstehen sehen, da alle Karolinger, selbst die
größten Schwächlinge unter ihnen, von der Ländergier wie von einem
Dämon geplagt wurden.
Die lotharingisch-italienischen Karolinger (840—875).
Normannen und Mohammedaner.
Lothar I. scheint seit 843 genügsamer geworden zu sein; wenigstens
verließ er 851 seinen früheren Schützling Pipin von Aquitanien, der
hierauf von seinen eigenen Leuten an Karl den Kahlen ausgeliefert
und von diesem in ein Kloster gesteckt wurde. Ebenso nahm sich Lothar
Karls an, als die Aquitanier 853 Ludwig den Deutschen zum König
verlangten und dieser ihnen einen seiner Söhne schickte; derselbe mußte
von Lothar und Karl bedroht nach Hause zurückeilen.
Zu dieser Mäßigung bewogen ihn wohl hauptsächlich die Angriffe
der Normannen und Mohammedaner auf seine Staaten. Die eine
Ruthe hatte er selbst binden helfen, denn er hatte die nordischen Räuber
gegen seine Brüder herbeigerufen und ihnen Walchern eingeräumt; daß
sie nach dem Vertrage von Verdun sein Gebiet mit ihren Raubzügen
so wenig verschonten „als die Länder seiner Brüder, war gerade die
natürliche Folge seiner Versöhnung mit diesen (s. unten Normannen).
An dem Einfalle der Mohammedaner dagegen war er nicht selbst
Schuld und gegen diese war er auch glücklicher. Der Herzog Sikard
von Benevent wollte das griechische Herzogthum Neapel erobern, was
ihm aber nicht gelang, weil die Griechen gegen ihn die Hilfe der sicili-
schen Araber anriefen. Nach Sikards Ermordung (839) stritten sich sein
Bruder und seine Kämmerer um die Herrschaft über Benevent, welche
Gelegenheit die sicilischen Araber sowie die spanischen benutzten, um sich
in Unteritalien festzusetzen. Sie bemächtigten sich der Städte Bari und
Tarent und nisteten sich im kalabrischen Gebirge ein. 846 streiften sie
bis Rom und verwüsteten die Umgebungen der Stadt, 849 jedoch
wurde ihre Flotte bei Ostia durch die Bürger von Neapel, Amalfi und
Gaeta geschlagen; Lothar l. schickte seinen Sohn Ludwig mit einem
starken Heere gegen sie und vertrieb sie aus ihren Festungen, doch
dauernde Sicherbeit vermochte er nicht zu schaffen. Denn die Mo-
hammedaner, welche von Tunis aus Sicilten von 828 bis 878, in
welchem Jahre Syrakus nach heldenmütbigem Widerstande fiel und
zerstört wurde, vollständig erobert hatten, erneuerten ihre Angriffe
noch oft und fanden manchmal in der frankenfeindlichen Politik des
bpzantinischen Hofes Unterstützung. Lothar I. zog sich, von Gewissens-
qual geängstigt, in das Kloster Prüm zurück, wo er nach kurzer Zeit
starb (855).