Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

86 Das heilige römische Reich deutscher Nation. 
Verwüstungszüge der Normannen. 
Schon 841 schifften sie die Seine aufwärts und verbrannten Rouen, 
845 Paris selbst, und Karl erkaufte ihren Abzug mit 7000 Pf. Silbers; 
847 fuhren sie in die Garonne ein und plünderten die Uferlandschaften, 
verbrannten 848 Bordeauxr; 851 erschienen sie abermals in der Seine, 
853 auch in der Loire, und so wiederholte es sich fast unaufhörlich bis 
866 (ogl. unten S. 103), wo sie Karl der Kahle mit 4000 Pf. Sil- 
bers zum Abzug bewog. Ganz hörte die Plage übrigens nie auf; denn 
wenn ein Räuberhaufe abge zogen war, so stellte sich gewöhnlich ein an- 
derer ein, der sich um die Verträge, welche mit seinem Vorgänger ab- 
geschlossen waren, nichts kümmerte, indem die Häuptlinge mit ihren 
Haufen auf eigene Faust zu handeln pflegten. 
Treulosigkeit und Wildheit der Karolinger. 
Die karolingischen Herrscher gelobten sich zwar mehr als einmal 
Versöhnung und Hilfe gegen die nordischen Unholde, allein es war ihnen 
damit niemals recht Ernst, oder ihr guter Wille dauerte nur sehr kurze 
Zeit und machte der unnatürlichsten Feindseligkeit Platz, denn es ist er- 
wiesen, daß die Normannen von einem gegen den andern gehetzt wurden; 
der Aquitanier Mpin ging sogar zu den Normannen über und schwur 
das Christenthum ab. 
Wie wenig Karl der Kahle in Neustrien selbst geachtet war, be- 
weist der merkwürdige Zwischenfall im Jahre 858; über ihres Königs 
Unfähigkeit erbittert rief ein Theil der Großen Ludwig den Deutschen 
herbei, der sich auch beeilte die angebotene Krone sich aufzusetzen, mit 
Heeresmacht erschien und Karl zur Flucht nach Burgund nöthigte. Lud- 
wig mußte jedoch sein deutsches Heer nach Hause entlassen und während 
er seine Anhänger mit Lehen belohnte aber nicht befriedigte, kam Karl 
der Kahle mit einer burgundischen Streitmacht zurück, Ludwig sah sich 
plötzlich verlassen und verrathen, floh an den Rhein und vertrug sich 
wieder mit seinem Bruder. 
Karls Kinder machten ihm gleichfalls unaufhörlich Sorgen; seine 
Tochter Judith, die als Wittwe eines angelsächsischen Königs zurückkehrte, 
gab durch ihr Leben allgemeines Aergerniß und ließ sich zuletzt von dem 
Grafen Balduin Eisenarm von Flandern entführen; sein Sohn Karl- 
mann, der zum Geistlichen bestimmt war, empörte sich wiederholt und 
plünderte wie ein normannischer Häuptling, wurde zuletzt gefangen, ge- 
blendet, entwich zu seinem Obeim Ludwig, der ihn mit einer Abtei ver- 
sorgte, in welcher er endlich starb. Auch der andere Sohn, Ludwig, em- 
pörte sich, fiel mit den Bretagnern in seines Vaters Reich ein, wurde
	        
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