100 Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands rc.
an, welche gewöhnlich von Geistlichen besorgt wurden, die von den Ge-
meinden auf eine bestimmte Zeit angestellt wurden. In diesen Schulen
wurde hauptsächlich Latein gelernt, denn dieses war damals noch die
europäische Sprache, der jeder Gebildete mächtig sein mußte. In vielen
Städten, namentlich Reichsstädten, waren Schulstiftungen, die meistens
darin bestanden, daß die älteren Schüler Kammern hatten, in welchen sie
ihre Schlafstätten einrichten konnten, wie sie es für gut oder möglich
fanden, während die jüngeren in der Schulstube schliefen, auf den Bänken
oder auf dem Boden, wo sie wollten. Die jüngeren Schüler hießen
Schützen, die älteren Bachauten; jeder Bachante hatte seinen Schützen,
dem er im Unterrichte nachhelfen sollte und den er überhaupt protegierte,
wofür ihm der Schütze allerlei Dienste thun und namentlich auch für ihn
betteln mußte. Dies war erlaubt, und die Schützen theilten sich in die
Quartiere einer Stadt, die sie gegen Eindringlinge handlich vertheidigten
und nöthigenfalls bei ihren Bachanten, als der Reserve, Unterstützung fanden.
Das Leben fahrender Schüler erzählt uns Thomas Plater, der als
Lehrer und Buchdrucker in Basel starb; er wanderte mit seinem Vetter,
dem Bachanten Paulus, aus seinem Gebirgsdorfe im Wallis über Zürich
nach Schwaben und bettelte für ihn und für sich mit dem besten Erfolge,
denn gerne schenkten die Leute dem Knaben, der in seinem Walliserdeutsch
bettelte, der auf dieser Wanderung den ersten Ofen und die erste Gans
sah und eine drollige Naivität entwickelte. So kam er nach Ulm, Mün-
chen, wo er seinem Bachanten entwich, Nürnberg, Frankfurt an der Oder
und wieder zurück nach Ulm, Straßburg, Schlettstadt, Solothurn, Zürich.
Am besten hatte er es in Frankfurt; Trinken und Essen bekam er voll-
auf, besonders setzten ihm die polnischen Bauern mit ihren Biergläsern
in den Schenken zu, aber studiert wurde wenig, sagte er. Im Sommer,
wenn es warm Wetter war, rafften die Schützen Gras und dergleichen
zusammen und machten sich ihre Lager auf den Kirchhof, der an die.
Schule stieß und lagen da „wie die Säu in der Streue". Sein einziges
Hemde, das aus derbem Stoffe gewesen sein mag, wusch er an der Oder
und säuberte sich bei dieser Gelegenheit, so gut es gehen mochte, von den
Läusen, die er dann ehrlich begrub; er versichert, er habe bloß in den
Busen greifen dürfen, um eine erkleckliche Anzahl zum Vorschein zu brin-
gen. Auf ihren Wanderungen stahlen fahrende Schüler von Feld= und
Gartenfrüchten, was sie erraffen konnten, und waren besonders den wei-
denden Gänsen gefährlich, sowie den Fischteichen, in deren Nähe sie ihr
Nachtlager aufschlugen, wenn man sie nirgends aufnahm, was oft der
Fall war. Diesem Leben machte die Reformation größtentheils ein Ende,
denn viele solcher Schulen gingen ein oder die Stätte duldeten die frem-
den Schüler nicht mehr und sorgten mehr für ihre eigenenz ohnehin
mußte bei der allgemeinen Spannung und dem feindseligen Argwohn das