Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Die Jesuiten- 105 
einwirkten und die Protestanten durch unterdrückende Gesetze und selbst 
durch Waffengewalt verfolgten; aber leiteten denn die protestantischen 
Hofprediger und Professoren die Fürsten und Maglstraten ihres Bekennt- 
nisses nicht auch, und wurden denn irgendwo in einem protestantischen 
Lande Katholiken und katholischer Gottesdienst geduldet? Die Geschichte 
gibt die Antwort; der Protestant mag die Jesuiten als die gefährlichsten 
Gegner seines Glaubens ansehen, er mag sie hassen, wenn er es mit 
dem Christenthum vereinigen kann, aber sie deßwegen anklagen, weil sie 
dem Protestantis mus entgegentraten und ihn mit den Waffen bekämpften, 
die er selbst in der Hand hatte, ist ebenso ungerecht als beschränkt, denn 
es heißt einem andern den Krieg erklären und doch von ihm verlangen, 
daß er ohne Gegenwehr alles geduldig über sich ergehen lasse. — In 
Deutschland war ihre Thätigkeit als Jugendbildner (die ersten 
Kollegien gründeten sie 1556 in Wien und Ingolstadt) von außer- 
ordentlicher Bedeutung. In ihren Schulen stellten sie wie der berühmte 
protestantische Rektor Sturm als Ziel alles Unterrichtes auf: Frömmig- 
keit, Kenntnisse und Kunst der Rede. In ihren Anstalten standen die 
Zöglinge unter der genauesten Aufsicht, ihr ganzes Thun und Treiben 
wurde auf das schärfste überwacht, aber doch wurde dabei die körperliche 
Ausbildung nicht vernachläßigt und jugendliche Freude nicht verwehrt, 
sondern nur geleitet; die Zöglinge sollten in ihren Lehrern nicht Zucht- 
meister, sondern väterliche Freunde sehen. Ueber die Jesuitenschulen sagt 
der Rektor Joh. Sturm: „Der Name der Jesuiten ist neu und eben 
aufgekommen; vor den übrigen Mönchen — wenn Mönchthum je löblich 
wäre — würden sie Lob verdienen. Denn was weder der gute und 
fromme Reuchlin, noch der beredte und gelehrte Erasmus von den Theo- 
logen und Mönchen erlangen konnten, daß diese, wenn sie auch die Wis- 
senschaften nicht selbst kultivieren wollten, doch andern gestatteten dieselben 
zu lehren, das haben die Jesuiten freiwillig übernommen. Sie geben 
Untemicht in Sprachen und Dialektik, sie tragen ihren Schülern, so gut 
sie es vermögen, Rhetorik vor. Ich freue mich über dieses Institut aus 
zwei Gründen: erstens weil sie unsere Sache fördern, indem sie die 
Wissenschaften kultivieren; denn ich habe gesehen, welche Schriftsteller sie 
erklären und welche Methode sie befolgen, die von der unseren so wenig 
abweicht, daß es scheint, als hätten sie aus den gleichen Quellen ge- 
schöpft. Zweitens treiben sie uns zu größerem Eifer und zur Wach- 
samkeit an, denn sie könnten sich sonst fleißiger erweisen und mehr gelehrte 
und wissenschaftliche Schüler erziehen als wir.“ Diesem Zeugniß eines 
eifrigen Protestanten sügen wir das des späteren Engländers Bako von 
Verulam bei, der mit Recht als ein großes philosophisches Licht allge- 
mein geachtet wird: „Was die Pädagogik anbelangt, sagt er, so wäre 
es am kürzesten, zu erklären: nimm an den Schulen der Jesuiten ein
	        
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