Erstes Buch.
Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands.
Frankreich und England die ersten Mächte Europas.
Erstes Kapitel.
Der Ablaß.
Die katholische Kirche glaubt einen Ablaß der Sünden, oder daß
die Erlösung von der Sünde durch Jesus Christus fortwährend vollzogen
werde. Durch die Heilsanstalt der Kirche, das Sakrament der Buße,
wird der Christ von der ewigen Sündenstrafe befreit, welche die gött-
liche Gerechtigkeit über ihn verhängen müßte, aber die zeitlichen Strafen
der Sünde werden durch das Bußsakrament an und für sich noch nicht
Eerlassen, weil Gott, wenn er einen Sünder zu Gnaden annahm, nicht
zugleich immer die zeitlichen Strafen der Sünde erließ. Als Stellver-
treterin Gottes begnadigt die Kirche den Sünder in dem Bußsakramente
und legt ihm Bußwerke als zeitliche Strafe der Sünde auf. In dieser
Bestrafung des Sünders wird sie aber durch die Rücksicht auf seinen
Zustand geleitet, und läßt nach Maßgabe der obwaltenden Verhältnisse
Milderung, Abkürzung, Umwandlung oder Aufhebung der Bußwerke ein-
treten. In diesem Sinne ist Ablaß „die theilweise oder gänzliche
Erlassung derjenigen zeitlichen Strafen, welche nach Ver-
gebung der Sünden noch zu erleiden sind.“ Im Laufe der
Zeit verwandelte die Kirche manchmal die leidende Buße in thätige, d. h.
sie verlangte statt der Bußwerke gute Werke, Opfer zu einem christlichen
Zwecke, z. B. für Gotteshäuser, Spitäler, für den Krieg gegen die Un-
gläubigen, Loskauf christlicher Sklaven u. s. w. Die Kirche lehrt ferner,
daß diejenigen, welche zwar im Besitze der heiligmachenden Gnade, aber
noch nicht von allen zeitlichen Strafen befreit oder noch mit geringern
Unvollkommenheiten behaftet von hinnen scheiden, in den Reinigungsort
(Fegfeuer) eintreten, bis sie ihre noch nicht erstandenen zeitlichen Strafen
vollends abgebüßt haben oder vollkommen gereinigt und zum Eintritt in
das Himmelreich befähigt sind; für diese darf und soll der Gläubige beten
und für sie Bußwerke thun oder Ablaß gewinnen, denn auch diese Ab-
Bumuller, Neue Zeit. 6. Aufl. 1
