4 Die Reformation. Religionekriege. Verfall Deutschlands ꝛc.
ihn sehr günstig, daß gerade um jene Zeit der Dominikaner Tezel nach
Sachsen kam, um den Ablaß zu verkünden, den Papst Leo X. ertheilte, um
Beisteuern zum Ausbau der St. Peterskirche zu sammeln. Dies bot nämlich
Luthern Gelegenheit, seinen Kampf gegen die Kirche auf dem günstigsten
Boden zu eröffnen; denn mit der Verkündigung und dem Empfange des
Ablasses hatte sich Mißbrauch und Unfug verbunden, obwohl die herkömm-
lichen Anschuldigungen gegen Tezel, als ob er ein frecher und unwissender
Ablaßkrämer gewesen sei, durch unparteiische und gründliche Forschungen
widerlegt sind; er mußte vielmehr büßen, was andere vor und neben
ihm gefehlt haben. Allerdings war Luther sich damals noch nicht recht
bewußt, welche Stellung er eigentlich gegen die Kirche einnahm, aber
als er sich gegen die kirchliche Autorität entschieden aufgelehnt hatte, so
entwickelten sich die Folgen seiner neu entdeckten Lehre von der Recht-
fertigung des Menschen vor Gott sehr rasch und in ihrem ganzen Um-
fange. Der Zudrang des gemeinen Volkes zu Tezel erregte vielfach
Anstoß, und als Luther am 31. Oktober 1517 an der Schloßkirche zu
Wittenberg 95 Sätze (theses) gegen die Art, wie der Ablaß verkündet
und angenommen wurde, auschlug, so fand er ziemlich allgemeinen Bei-
fall, um so mehr, als er darin den katholischen Boden nicht zu verlassen
schien. Tezel schrieb zwar eine gute Schrift über den Ablaß gegen Lu-
ther, sie konnte jedoch unter solchen Umständen wenig wirken; die Au-
gustiner erklärten sich nicht gegen Luthers Schritt, der Orden der Domi-
nikaner aber hatte um diese Zeit von seinem frühern Ansehen viel ver-
loren; die Universität Wittenberg war für ihren Professor, und die
Freunde der klassischen Studien, die Humanisten, begrüßten ihn als
ihren Vorkämpser, denn sie hatten mit den Dominikanern in Köln kurz
vorher eine grimmige Fehde geführt. Luther selbst gebärdete sich in
öffentlichen Schriften als guter Katholik und erklärte, daß er sich jedem
Urtheile seiner kirchlichen Obern unterwerfen wolle. Der Papst citierte
ihn anfänglich nach Rom, gab aber doch zu, daß Luther sich in Augs-
burg vor dem Kardinallegaten Thomas de Vio stelle. Dieser ver-
langte Widerruf, allein Luther appellierte „von dem schlecht unterrichteten
Papst an den besser zu unterrichtenden“, und als der Papst die Lehre
vom Ablasse durch eine Bulle bestätigte, an ein allgemeines Koncil (1518).
Im folgenden Jahre unterhandelte der päpstliche Kammerherr Miltiz mit
Luther, und dieser versprach zu schweigen, wenn seinen Feinden auch Schwei-
gen auferlegt werde, entschuldigte sich wegen der ungebührlichen Sprache,
die er mehrmals gebraucht, versprach das Volk in einer eigenen Schrift zur
Ehrfurcht gegen die Kirche auffordern zu wollen und betheuerte abermals
seine treue Anhänglichkeit an die Kirche. Es war ihm aber damit schon
nicht mehr Ernst, denn in vertraulichen Aeußerungen nannte er den Papst
bereits den Antichrist und brauchte gegen den Erzbischof von Mainz und