6 Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands 2c.
die Kirche hervortrat; er hielt 1518 in Augsburg den letzten Reichs-
tag, und sprach scheidend: „Lebe wohl, liebe Stadt Augsburg mit deinen
guten Bürgern, wir werden dich nicht wieder sehen,“ und am 12. Ja-
nuar 1519 wurde er zu seinen Vätern versammelt.
Um den erledigten Kaiserthron bewarben sich nun zwei junge Kö-
nige, Franz von Frankreich und Karl I. von Spanien. Franz
hatte durch die Schlacht von Marignano großen Kriegsruhm erwor-
ben, Genua und die Lombardei waren in seinen Händen, Savoyen und
die Schweiz zu seinen Diensten, und als Beherrscher Frankreichs und
Italiens hätte er sich gar zu gerne auch noch die Kaiserkrone auf das
Haupt gesetzt. Dazu mußte er aber nothwendig zuerst deutscher König
sein; seine Gesandten arbeiteten auch an allen deutschen Höfen für die
Wahl ihres Königs; sie ließen es sich ungeheure Summen kosten, konn-
ten aber die Abneigung der Deutschen gegen einen Franzosen als König
(gegen französisches Geld und Bündniß bestand keine solche Stimmung)
doch nicht überwinden; die Kurfürsten mußten einsehen, daß das deutsche
Volk einen solchen nicht ertragen würde und wählten deßwegen den
28. Juni 1519 Marens Enkel Karl zum Könige; die Wahl kostete
ihn jedoch über 800,000 Gulden und zudem mußte er eine Wahlkapi-
tulation unterschreiben, in welcher den Fürsten soviel als die Landes-
hoheit ausbedungen war.
Karl war der Enkel Marimilians und der burgundischen Ma-
ria, deren Sohn Philipp Ferdinands und Isabellens Tochter,
Johanna, die durch das Hinsterben anderer Mitglieder der spani-
schen Dynastie Erbin von Spanien und Neapel wurde, geheirathet
hatte, so daß Karl durch Geburt Herr von Spanien, Neapel und
Burgund war;z nach Marimilians Tod erbte er mit seinem Bruder
Ferdinand auch die österreichischen Lande, und durch die Wahl zum
deutschen Könige erlangte er die höchste Fürstenwürde in der Christen-
heit, die Kaiserkrone. Kolon hatte für ihn Amerika entdeckt, für ihn
eroberte Kortez 1521 Meriko, Pizarro 1532 Peru, unmsegelte
Magelhaens die Erde und entdeckte die reichen ostindischen Inseln
(Manilla), so daß er sich mit Recht rühmte, in seinem Reiche gehe die
Sonne nicht unter. Geboren war Karl am 24. Februar 1500 in Gent;
seine Erzieher waren Wilhelm von Kroy und der treffliche Priester
Hadrian von Utrecht. Karl war eine langsame, aber gediegene
Natur; hatte er nach reiflicher Ueberlegung einen Plan aufgenommen,
so verfolgte er ihn mit Umsicht und unerschütterlicher Ausdauer; er war
Feldherr, der letzte unter unsern Kaisern; seine Politik war zwar nicht
frei von dem Machhiavellismus seiner Zeit, der jedes Mittel empfahl,
wenn es nur zum Ziele führte, und die Beseitigung eines hochverdienten
Mannes, wenn derselbe nicht mehr nothwendig schien, zu einem Haupt-