Das Jahrhundert Ludwigs XIV. 189
Indessen war Ludwig doch kein verächtlicher Despot, der einzig
für Pracht, Verschwendung und Wollust Sinn hatte. Er that durch
seinen Minister Kolbert viel für Gewerbe und Handel, wenn auch zu-
nächst nur in der Absicht, dadurch für sich selbst eine Goldgrube zu öff-
nen. Die französischen Uhrenmacher, Goldarbeiter, Seidenweber, Hut-
macher u. s. w. waren wohl die ausgezeichnetsten in ganz Europa, und
der König ermunterte und beschützte ihre Betriebsamkeit. So schützte er
auch den französischen Seehandel; unter ihm bildete sich eine ost= und
westindische Handelsgesellschaft, und einige Zeit überflügelten die Fran-
zosen die Engländer und Holländer auf dem Meere; erst der Sieg von
La Hugue stellte das Uebergewicht der letzteren wieder her; der Gewerb-
samkeit aber that Ludwig selbst durch die Aufhebung des Edikts von
Nantes großen Abbruch.
Ludwig unterstützte auch Kunst und Wissenschaft mit königlicher
Freigebigkeit, und brachte der französischen Literatur ihr goldenes Zeit-
alter. Unter ihm dichteten Korneille, Racine, Mollere, Lafon-
taine, Boileau; es blühten Bossuet, Fenelon, Paskal. Der
König hob die Pariser Akademie, baute eine Sternwarte, welcher der
große Kassint vorstand, und die Franzosen nahmen mit den Engländern
ohne Frage den ersten Rang in wissenschaftlichen Leistungen ein. Darum
ist auch Ludwig XIV. bei den Franzosen noch immer ein geehrter Name;
er machte Frankreich durch seine Eroberungen nicht nur zum mächtigsten
Reiche, sondern auch die französische Kultur zur vorherrschenden in
Europa, die französische Sprache aber zur europäischen Hauptsprache,
zur Sprache der Vornehmen und Gebildeten.
Am wenigsten Nutzen hatte Deutschland von diesem Ueberwuchern
des Franzosenthums über seine Gränzen; dies hat unserm Vaterlande
unendlich mehr gescharet als die Siege, Mordbrennereien und Erobe-
rungen eines Turenne, Luremburg und Villars, denn es verdarb die
höheren Stände, von denen die Ansteckung in die unteren, noch kern-
deutschen Volksklassen drang. In Deutschland äffte man nämlich den
Franzosen alles nach; da sprach man an den Höfen nur französisch, und
wer noch deutsch sprechen wollte oder mußte, untermengte wenigstens
möglichst viele französische, lateinische und etwa auch italienische Aus-
drücke, so daß unsere edle Muttersprache zu dem abgeschmacktesten Misch-
masch wurde, das je auf Gottes Erdboden geredet oder geschrieben worden
ist. Die Deutschen machten sich dadurch vor der ganzen Welt verächtlich,
und Italiener und Franzosen verspotteten sie wetteifernd als Dummköpfe.
Und wenn es nur bei der Dummheit der Nachäfferei geblieben
wäre, aber leider wurde auch die französische Sittenlosigkeit zum guten
Tone. Nur wenige deutsche Fürsten, namentlich Haus Habsburg, mach-
ten eine Ausnahme; die meisten lebten in allen Lüsten und verschleuder-