Karls XII. letzte Tage und Ende. 203
ten Jahren viel von seinem Starrsinne abgelegt und war in die natio-
nalwirthschaftlichen Ideen seines Vorbildes eingegangen. Er war nichts
weniger als roh, sondern freundlich mit jedermann und dankbar für ge-
leistete Dienste; auch Kunst und Wissenschaft verachtete er nicht und un-
terhielt sich gerne mit Gelehrten. Seine Soldaten opferten sich für ihn,
sie scheuten keine Gefahr und trugen alles Ungemach ohne Murren, denn
er theilte Gefahr und Noth mit ihnen; noch heute ist Karl den Schwe-
den ein Gegenstand der Bewunderung und Liebe.
Nach seinem Tode wurde die Belagerung von Friedrichshall auf-
gehoben und die Kriegskasse unter die höheren Offiziere vertheilt, das
Heer kehrte mit der Leiche des Königs heim; eine andere Heeresabthei-
lung aber, die Karl unter dem General Armfeld gegen Drontheim ge-
schickt hatte, erfror auf ihrem Rückzuge im Gebirge.
Der Adel benutzte den Tod des Königs augenblicklich und in der
umfassendsten Weise. Die Reichsstände eigneten sich das Wahlrecht wie-
der an, umgingen den zur Krone berechtigten Herzog Karl Friedrich
von Holstein-Gottorp, den Sohn von Karls XlII. ältester Schwester
und erhoben dessen jüngere Schwester Ulrike Eleonore und ihren
Gemahl Friedrich von Hessen-Kassel auf den Thron. Diese muß-
ten aber vorher die alte Verfassung wieder anerkennen und dem Reichs-
rathe noch mehr Rechte einräumen als er früher gehabt hatte, so daß
Schweden zu einer eigentlichen Oligarchie wurde. Der Reichsrath näm-
lich hatte die Regierungsgewalt und entschied nach Stimmenmehrheit,
dem Könige waren aber nur zwei Stimmen bewilligt. Alle höheren
Aemter wurden nun wieder ausschließlich mit Adeligen besetzt, und von
diesen standen immer mehrere im russischen Solde; sie verrietben die
Geheimnisse der Regierung und als Kommandanten die stärksten Festun-
gen. Karls XII. Freund und Minister, der holsteinische Görz, wurde
durch ein unordentliches Gericht zum Tode verurtheilt und mußte durch
Henkershand sterben, weil er es gewagt hatte, dem Könige treu zu die-
nen und den Planen der Oligarchie Gefahren zu bereiten.
Dann wurden ron 1719—1721 mit den feindlichen Mächten Frie-
densverträge abgeschlossen. Dänemark durfte dem Herzog von Holstein-
Gottorp Schleswig entreißen, gab aber die anderen Eroberungen zurück,
wegegen Schweden hinwieder auf die Freiheit vom Sundzolle vekzich-
ten mußte.
Georg I. von Hannover erhielt gegen eine Entschädigung von einer
Million Thaler Bremen und Verden abgetreten; Friedrich Wilhelm I.
von Preußen gegen zwei Millionen Thaler Stettin und Vorpommern
bis an die Peene sammt den Iuselu Usedom und Wollin. August wurde
als König von Polen anerkannt, Stanislaus Leszinsky preisgegeben.
Gegen den Zaren sperrte sich der Reichsrath bis 1721 und trat dann