Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

244 Englische Revolution. Zeitalter Ludwigs XIV. 1c. 
ihren Glaubenslehren zu unterwerfen. Die Protestanten mußten aber 
außerdem, daß sie ihre Prediger und Schullehrer zu besolden hatten, 
auch den katholischen Pfarrern die herkömmlichen Gebühren entrichten. 
Von der Toleranz wurden jedoch die sogenannten Deisten ausgenommen 
und angehalten, sich zu einer der anerkannten Religionen zu bekennen; 
wer sich als Deist meldete, sollte 25 Prügel weniger einen bekommen 
und diese Tracht bei jeder neuen Meldung repctiert werden. 
Josefs Neuerungen auf dem kirchlichen Gebiete erregten natürlich 
die Besorgnisse des Papstes Pius VI. in hohem Grade; da schriftliche 
Vorstellungen nichts fruchteten, machte er sich auf den Weg über die 
Alpen und traf am 22. März 1782 in Wien ein. Josef behandelte 
ihn ehrenvoll, der Minister Kaunitz aber kräukte ihn durch Hintansetzung 
des Anstandes und der konventionellen Regeln. Pius Vl. richtete bei 
dem Kaiser nichts aus, doch die Hulrdigungen, welche ihm das katholische 
Volk überall, wo er durchreiste, darbrachte, machten aus seiner Reise 
einen wahren Triumphzug und gaben ihm den Trost, daß wenigstens 
das Volk noch in ungeminderter Verehrung und Treue dem Haupte der 
Kirche anhänge; mit dem Kaiser aber dauerte das gespannte Vehältniß 
bis zu dessen Tode fort. 
Josese Veränderungen im Staate. 
Des Kaisers Streben war: aus seiner großen Monarchie einen 
einheitlichen Staat zu schaffen, wie der französische und preußische war, 
und die verschiedenen Nationalitäten in dem gemeinschaftlichen Staats- 
bürgerthum aufgehen zu lassen. Deßwegen wollte er durch Herstellung 
der Rechtsgleichheit, durch gleichförmige Besteuerung, Schutzzollsystem, 
allgemeine Verpflichtung zum Militärdienste, durch die Einführung der 
deutschen Sprache als Staatssprache seine Unterthanen der Sonderver= 
hältnisse, in denen sie bisher gelebt hatten, entwöhnen. Die Juden 
wurden von der entwürdigenden Vorschrift besondere Abzeichen zu tragen 
befreit; sie durften ihre Kinder in die öffentlichen Schulen schicken, sich 
zu öffentlichen Aemtern befähigen, Fabriken anlegen, Landgüter pachten, 
waren aber verpflichtet jüdische Arbeiter anzustellen, damit das der Hand- 
arbeit abgeneigte Volk an dieselbe gewöhnt werde. Dagegen mußten 
die Juden deutsche Namen annehmen, in ihren Synagogen sich der deut- 
schen Sprache bedienen und Soldaten werden. 
Viel tiefer bewegte eine andere Verordnung des Kaisers die Masse 
des Volkes: er hob nämlich die Leibeigenschaft auf und führte eine allge- 
meine Besteuerung des Grundbesitzes ein, welche nach einer Vermessung 
der Grundstücke und Abschätzung ihres Ertrages (Katastrierung) bestimmt 
wurde. Die an und für sich schwierige Angelegenheit, die eine Menge 
verwickelter Verhältnisse zu lösen gab und eine Unzahl von Klagen zu
	        
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