260 Englische Revolution. Zeitalter Ludwigs XIV. 2c.
Man hat die neue deutsche Poesie eine protestantische genannt; sie ist
aber so wenig eine orthodor-protestantische, als sie eine kathollsche ge-
nannt werden könnte, sondern sie ist eine klassische, d. h. sie bewegt sich
in der Regel nicht auf dem christlichen Boden, sondern zleht alles in
ihren Bereich, was ihr als „schön“ erscheint.
Wathematik und Maturwissenschast.
Auch diese Richtungen des menschlichen Geistes wurden durch die
Ausbreitung der Europäer über den ganzen Erdball mächtig angeregt;
die Seefahrten nöthigten zur Beobachtung der Gestirne und lehrten rech-
nen und messen, die wunderbare Entdeckung neuer Thier= und Pflanzen-
gattungen forderte zu Beschreibungen auf, die Presse verbreitete solche
überall hin, die Vergleichung der fremden Pflanzen und Thiere mit den
einheimischen leitete zu genauer Beobachtung an und der aufgeregte Geist
der Forschung, der auch als Folge der Reformation die wissenschaftliche
Welt durchdrang, bemächtigte sich bald und mit Vorliebe dieser Gebiete,
und hier wurden riesenhafte Fortschritte gemacht, die Wissenschaft der
Griechen und des Mittelalters weit übertroffen. Wie dürftig es ehemals
um das Studium der Mathematik auf den deutschen Untversitäten aus-
sah, kann man daraus abnehmen, daß der Lehrer der Mathematik an
der Universität Wittenberg zu Melanchthons Zeit die Studierenden zu
den vier Species einladet, „von denen Multiplicieren und Diovidieren
etwas mehr Fleiß verlangen; es gibt freilich schwierigere Theile der
Arithmetik, ich spreche aber nur von diesen Anfängen, die euch gelehrt
werden und nützlich sind“. Besonders verdient machten sich um die
mathematischen Wissenschaften Kepler, Leibniz, Newton und Euler,
wahre Herrscher in diesem Reiche. Durch diese mathematischen Leistungen,
die Ausbildung des Kalkuls, der Geometrie und Trigonometrie, durch
die Erfindung des Fernrohrs (sie soll zufällig im holländischen Middel-
burg gemacht worden sein), wurde eine ganz neue Wissenschaft gegründet,
nämlich die Astronomie, Sternkunde, welche bisher Astrologie, Sternden-
terei gewesen war. Denn auch im christlichen Europa herrschte der alt-
heidnische Glaube, daß der Stand der Gestirne (die Konstellation) die
Welt beherrsche, daß von ihnen die Ereignisse in der Natur, Witterung,
Wachsthum, Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit, Gesundheit und Krankheit
herrühren, selbst die Anlagen und Schicksale der Menschen. Die alten
Könige, z. B. der Hohenstaufe Friedrich II., König Ludwig XI. von
Frankreich u. s. w., hielten Sterndeuter, welche sie vor allen Unterneh-
mungen zu Rathe zogen; Kepler selbst glaubte noch an den Einfluß der
Gestirne auf menschliches Schicksal, eben so Melanchthon und Gustav
Adolf; Wallenstein war selbst Astrologe. Der Domherr N. Koperni-
kus aus Thorn (1473—1548) wagte es zuerst eln neues Weltsystem