Koͤnig und Nationalversammlung in Paris. 291
schaffung aller Feudallasten gegen billige Entschädigung; so hörte dem-
nach aller Standesunterschied auf und es gab nur noch Bürger. Ferner
wurde eine Nationalgarde errichtet, nämlich allen Bürgern die Waffen
in die Hand und militärische Organisation gegeben; dadurch sollte es
der Regierung unmöglich gemacht werden, einen Gewaltstreich zu führen;
Kommandant der Pariser und der Nationalgarde des Landes wurde La-
fayette, der unter Washington gefochten hatte. Dies erschreckte viele
Herren aus den vornehmen Ständen, so daß sie zu Hunderten den Bo-
den Frankreichs verließen, um in dem Auslande eine Wendung der Zu-
stände abzuwarten, wohl auch schon in der Absicht, fremde Hilfe anzu-
mien. Dergestalt wurde der König von denen verlassen, die sich sonst
dle Stützen des Thrones nannten, und zudem den geheimen und offenen
Schürern der Revolution eine neue Waffe gegeben: die Anklage, der
König stehe mit der Partei des Auslandes im Einverständniß. Aber
auch die Nationalversammlung war nicht mehr Herr der Bewegung, die
sie hervorgerufen und anfangs geleitet hatte; in Paris war im Sturm
ein demokratischer Stadtrath gewählt worden, der seine Eristenz einem
Wählervereine dankte, welcher nun den Maire und die 60 Vorsteher der
Sektionen als Werkzeug zu neuen Aufständen benutzte. Seine Taktik
zeigte er alsbald. In Paris war Theurung und darau mußte der
König schuldig sein und die Räthe, welche ihn zu Versallles umgaben.
Dorthin hatte er das treue Regiment Flandern berufen, dem die Gar-
disten am 1. Oktober ein Gastmahl gaben, bei welchem in der Trun-
kenheit Drohungen gegen die Pariser und die Nationalversammlung ausge-
stoßen wurden; unglücklicher Weise hatten thörichte Rathgeber (denn was
sollte ein Regiment in dem gewaltigen Sturme bedeuten, eine Armee
hätte eine solche Huldigung verdient!) den König bewogen, mit der Kö-
nigin und dem Kronprinzen dem Feste anzuwohnen, und am 3. wurde
das gleiche Spiel erneuert. Darüber gerieth Paris in Aufruhr; die rohen
Fischweiber bewaffneten sich zuerst, anderer Pöbel rottete sich zusammen
und der ganze Haufe zog nach Versailles. Dort wurden einzelne Gar-
disten ermordet, die Königin selbst kam in Lebensgefahr, bis endlich die
Pariser Nationalgarde unter Lafayette erschien und mit Mühe weitere
Gräuelthaten verhinderte. Der König wurde von dem Haufen nach
Paris eskortiert, die Nationalversammlung folgte nach, und so kamen
diese und der König in die Gewalt der Bevölkerung von Paris oder
vielmehr der Vereinsmänner, denen es ein Leichtes wurde, augenblicklich
bewaffnete Pöbelmassen vorzuführen. Es war daher bezeichnend, daß
statt der königlichen Farbe, weiß, die Stadtfarben von Paris, roth und
blau, zu denen Lafayette noch weiß fügen durfte (die Trikolore), von
den Männern der Bewegung angenommen wurden. So viele Rücksicht
wie bei der Farbe ungefähr nahm die Natienalversammlung auf den
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